60 Jahre Mauerbau 

Berliner Mauerbau 1961

Am 13. August 1961 sperrte die DDR rund 16 Millionen Menschen hinter die Berliner Mauer. 60 Jahre danach ist die DDR Geschichte – ihre Praktiken dauern jedoch an. Mehr als eine Viertelmillion Menschen wurden aus politischen Gründen in der DDR inhaftiert. Der Blick nach Belarus, Kuba oder Iran zeigt erschreckende Parallelen. Bildquelle: Hellebardius/flickr; Stöhr/Bundesarchiv/WikimediaCommons; AP/ndla.no/Scanpix.no (1961, bearbeitet, CC BY-NC-SA 4.0)

Nur die Wahrheit hilft, die Zukunft zu meistern

Mahnung zum Schutz von Freiheit und Menschenrechten

Von Martin Lessenthin

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“ – als DDR-Staats- und Parteichefs Walter Ulbricht in einer Pressekonferenz am 1. Juni 1961 vehement leugnete, was zweieinhalb Monate spätere traurige Realität wurde, wusste er schon: Nur eine radikale Maßnahme konnte den Unrechtsstaat DDR noch vor dem Kollaps bewahren. Denn jeden Monat flohen tausende Menschen über Berlin in den Westen. Darunter viele Facharbeiter und Akademiker. Heute würde man sagen, es fand ein großer „Brain Drain“ statt – also die Abwanderung – oder in diesem Falle Flucht – von gut Ausgebildeten. Am 13. August 1961 wusste sich das DDR-Regime nicht mehr anders zu helfen, als rund 16 Millionen Menschen einzusperren. Damit sie nicht davonlaufen und dem Sozialismus nicht für den Kapitalismus den Rücken kehren. Erst kamen Zäune und Stacheldraht, dann die Mauer – die das Volk der DDR für etwa drei Jahrzehnte im eigenen Land einsperrte. Was ist das für ein Armutszeugnis für eine Regierung, wenn sie ihr eigenes Volk einmauert? Familien über Jahrzehnte trennt? Flüchtende erschießt? Andersdenkende einsperrt? Die eigene Bevölkerung bespitzelt?

Der Mauerbau jährt sich nun zum 60. Mal und man könnte denken, solch ein Vorgehen ist Geschichte. Ein trauriges Kapitel deutscher Geschichte, über das man nicht mehr reden muss.

Die Wahrheit ist: Wir müssen darüber reden! Denn leider sehnen sich Unbelehrbare auch 60 Jahre nach dem Mauerbau nach DDR-Sozialismus, leugnen und verharmlosen die Verbrechen des sozialistischen Staates auf deutschem Boden oder sympathisieren mit totalitären Regimen.

Leider bestehen im 21. Jahrhundert weiterhin Staaten, für die Menschenrechte ein Fremdwort sind. Deren Regime sich mit Hilfe gefälschter Wahlen, Unterdrückung von Demokratiebewegungen, Inhaftierung von Oppositionellen und Gewalt an der Macht halten. Wir müssen nur die Zeitung aufschlagen oder die Nachrichten anschauen. Dort erfahren wir, dass der Langzeitdiktator Lukaschenko in Belarus nach seiner manipulierten Wiederwahl friedliche Massenproteste brutal niederschlägt. Dass der Kremlkritiker Alexei Nawalny in Russland nur mit Glück einen Giftanschlag überlebt hat und jetzt in einem Straflager gepeinigt wird. Dass Xi Jinping über eine Millionen Uiguren in so genannten „Umerziehungslagern“, die in Wahrheit Konzentrationslager sind, inhaftiert und friedliche Tibeter foltern lässt. Dass im Iran Frauen verhaftet werden, die sich gegen den Kopftuchzwang stellen. Dass der nordkoreanische Diktator Kim Jung-un sein Volk hungern und zu Tode foltern lässt, dessen Freiheitsrechte rigoros einschränkt und ein ganzes Land systematisch von der Welt isoliert. Dass der kubanische Diktator Díaz-Canel jeden seiner Landsleute willkürlich inhaftiert und zu langen Haftstrafen verurteilt, der die Zustände im Land offen kritisiert.

Vom August 1961 bis zum Mauerfall wurden in der DDR mehr als eine Viertelmillion Frauen und Männer aus politischen Gründen inhaftiert. Viele mussten lange Haftstrafen verbüßen. Weil sie flüchten wollten und von Nachbarn, Arbeitskollegen, vermeintlichen Freunden oder gar der eigenen Familie verraten wurden. Weil sie anderen bei der Flucht halfen. Oder weil sich offen gegen das Regime stellten. Die DDR ist Geschichte, die menschenverachtenden Praktiken des DDR-Regimes leider nicht. Sie leben weiter und werden von Autokratien und Diktaturen zum Machterhalt genutzt. Darum sollten wir den 60. Jahrestag des Mauerbaus nutzen, um zum Schutz der Menschenrechte weltweit aufzurufen. Kein Volk darf eingemauert werden – weder mit Stacheldraht, Zäunen oder Ziegelsteinen noch deren Meinungen, Bräuche oder Kulturen. Von nun an muss es heißen: „Niemand wird eine Mauer errichten!“

Dieser Kommentar ist zuerst erschienen in „The European“ am 12. August 2021.

Wir möchten Sie an dieser Stelle auch auf unsere Fachtagung zum Thema „Verblasst die Erinnerung an die kommunistischen Diktaturen in der DDR und in Osteuropa? – Aufarbeitung heute“ vom 4. September 2021 im Gustav Stresemann Institut in Bonn aufmerksam machen. Axel Voss, MdEP, Markus Meckel, Vorsitzender des Stiftungsrates der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sowie Birgit Schlicke, ehemalige politische Gefangene der DDR werden die Veranstaltung mit Redebeiträgen ergänzen.

Kontakt bei Fragen zur Veranstaltung: info@igfm.de

Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der IGFM

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