Für demokratischen Wandel in Belarus

Demo Belarus Berlin

Mit einer großen Kundgebung empfing die belarussische Diaspora die im litauischen Exil lebende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Sie wurde von Tatjana Chomitsch begleitet, der Schwester der inhaftierten Maria Kolesnikawa. Die IGFM unterstützt die belarussische Demokratiebewegung. Fotos: Michael Leh

Für Demokratie und Freiheit in Belarus

Kundgebung in Berlin mit Swetlana Tichanowskaja und Tatjana Chomitsch

Berlin, 15. Juni – Die im litauischen Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat bei einem Arbeitsbesuch in Berlin um Unterstützung geworben. Sie traf mit mehreren deutschen Politikern zusammen, darunter CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Sie sprach auch auf dem digitalen Parteitag der Grünen. Zahlreiche belarussische Landsleute empfingen sie begeistert gemeinsam mit Tatjana Chomitsch, der Schwester der inhaftierten Maria Kolesnikowa, am 12. Juni auf dem Potsdamer Platz.

 Schwer bewacht von mehreren Bodyguards erschienen Swetlana Tichanowskaja und Tatjana Chomitsch unter großem Applaus ihrer Landsleute auf dem Potsdamer Platz. Die 34-jährige Wirtschaftsanalytikerin Tatjana Chomitsch hielt dabei stets das Bild ihrer in Belarus inhaftierten Schwester Maria Kolesnikowa in den Händen. Chomitsch, die wie ihre Schwester mit dem ebenfalls inhaftierten belarussischen Präsidentschaftskandidaten Viktor Babariko zusammengearbeitet hatte, lebt in Polen. Maria Kolesnikowa hatte letztes Jahr ihren Pass zerrissen, als sie aus Belarus in die Ukraine abgeschoben werden sollte. Eher nahm sie das Gefängnis in Kauf, als ihr Land zu verlassen.

„Bis die politischen Gefangenen befreit sind“

Im Gefängnis ist auch weiterhin der Ehemann von Swetlana Tichanowskaja. Diese erklärte auf dem Potsdamer Platz: „Ich bin das dritte Mal in Deutschland und werde jedesmal so herzlich empfangen. Dafür möchte ich allen sehr herzlich danken!“ Sie wisse auch, wie herzlich ihre belarusischen Landsleute hier alle empfingen, die aus Belarus geflohen seien. „Ich danke Euch für die ständigen Solidaritätsaktionen. Dafür, dass ihr Briefe an Gefangene schreibt und die Familien unterstützt. Besonders danke ich auch für eure Medienarbeit, die dafür sorgt, dass Belarus nicht von der Tagesordnung verschwindet“, sagte sie. „Ich weiß nicht, wie lange dieser Weg noch dauern wird“, fuhr sie fort, „aber wir werden diesen Weg gemeinsam gehen. Und zwar so lange, bis alle politischen Gefangenen befreit sind, bis wir Freiheit  haben und sie gebührend zusammen feiern können, in Belarus, in Deutschland und in allen Städten dieser Erde!“

Tausende Verhaftungen, Schläge und Folter in Belarus

Auch Tatjana Chomitsch drückte ihren „tiefsten Dank“ für die Solidarität der belarussischen Diaspora aus: „Auch wenn ihr weit weg seid von Belarus, wir spüren eure Solidarität, auch die politischen Gefangenen spüren eure Solidarität. Sie kommt an!“ „Ich möchte noch einmal betonen“, fügte sie hinzu, „wie unglaublich wichtig es ist, gerade jetzt Belarus zu unterstützen und vor allem die über 470 politischen Gefangenen. Setzt euch weiter für sie ein, damit sie nicht vergessen werden!“

In ihrer Rede auf dem digitalen Parteitag der Grünen nannte Tichanowskaja „35.000 Verhaftungen, 3.000 politisch motivierte Strafverfahren, Tausende von Fällen von Schlägen und Folter“ in Belarus.  Lukaschenka habe ihre Heimat in ein „landesweites Gefangenenlager“ verwandelt. „Und dann hat er seine Praktiken in die internationale Dimension verlagert“, fügte sie unter Hinweis auf die Entführung der Ryanair-Maschine mit Roman Protassewitsch und Sofia Sageda am 23. Mai hinzu. „Ein Flugzeug mit unschuldigen europäischen Bürgern an Bord wurde als Geisel genommen, nur um die persönliche Rache eines Mannes zu befriedigen. Eine Woche zuvor, am 16. Mai, nahm ich das gleiche Flugzeug von Athen nach Vilnius. Es hätte auch mich treffen können, statt Roman. Oder mein Team. Oder jeden von Ihnen“, sagte Tichanowskaja. Das Regime Lukaschenkos sei eine Bedrohung für ganz Europa.

Tichanowskaja und Chomitsch, Berlin Belarus Demo

Swetlana Tichanowskaja (rechts) und Tatjana Chomitsch auf dem Podium am Potsdamer Platz in Berlin.

Svetlana Tichanowskaja:

„Ich bin das dritte Mal in Deutschland und werde jedesmal so herzlich empfangen. Dafür möchte ich allen sehr herzlich danken! Ich danke Euch für die ständigen Solidaritätsaktionen. Dafür, dass ihr Briefe an Gefangene schreibt und die Familien unterstützt. Besonders danke ich auch für eure Medienarbeit, die dafür sorgt, dass Belarus nicht von der Tagesordnung verschwindet.“

„Manchmal fragen mich die Leute“, sagte Tichanowskaja, „wie ich mich fühle, ob ich müde bin. Ja, ich bin müde, wer wäre das nicht? Aber dann stelle ich mir vor, wie es ist, in einer Gefängniszelle in Weißrussland zu sitzen, gefoltert und gedemütigt zu werden – wie der belarussiche Aktivist Stsiapan Latypau, der versucht hat, sich umzubringen, indem er sich direkt im Gerichtssaal die Kehle durchgeschnitten hat. Stellen Sie sich nur die Schmerzen und das Leid vor, die er durchgemacht hat, um diesen verzweifelten Schritt zu tun“.  Die Gefangenen in den Zellen seien sexuellem Missbrauch und dem Entzug von medizinischer Hilfe und Hofgängen ausgesetzt. Die Zellen seien überbelegt. Den Gefangenen werde der Schlaf entzogen. Politische Gefangene würden Berichten zufolge durch Farbmarkierungen gekennzeichnet. „Mein Mann, Sergej Tichanowsky, ist jetzt seit über einem Jahr im Gefängnis und wartet immer noch auf einen Gerichtsprozess“, sagte sie. Und: „Die deutsche Unterstützung bedeutet uns viel, weil sie nicht nur aus Worten besteht, sondern aus Empathie und Taten.“

IGFM-Vorstandsmitglied Michael Leh (rechts) mit Franak Viacorka, dem außenpolitischen Berater Tichanowskajas

IGFM-Vorstandsmitglied Michael Leh (rechts) mit Franak Viacorka, dem außenpolitischen Berater Tichanowskajas. Bereits bei anderen Veranstaltungen würdigte Michael Leh im Namen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte das Engagement der Demokratiebewegung und kritisierte die Verfolgung von unabhängigen Journalisten scharf.

Tichanowskaja plädiert für eine hochrangige Konferenz

Deutschland müsse eine Schlüsselrolle bei der Lösung der politischen Krise in Belarus spielen helfen, den Weg zu Neuwahlen zu ebnen. „Sanktionen gegen Sektoren wie die petrochemische Industrie, Kali, Stahl und Holzverarbeitung sind das einzige Druckmittel, um Repressionen zu stoppen, politische Gefangene freizulassen und Neuwahlen durchzuführen“, erklärte Tichanowskaja.

In der Zwischenzeit sei es von entscheidender Bedeutung, unterdrückten Familien, Journalisten und Menschenrechtsverteidigern zu helfen – „all jenen, die unter dem Regime leiden und die an vorderster Front dieses Kampfes stehen“. Tichanowskaja plädierte dafür, eine „hochrangige Konferenz“ einzuberufen, um über die „gemeinsamen Herausforderungen“ und Möglichkeiten zur Lösung der Krise in Belarus zu sprechen. Eine solche Konferenz solle die „wichtigsten belarussischen und internationalen Akteure einbinden, um einen Fahrplan für Neuwahlen zu entwickeln“.

Swetlana Tichanowskaja und Tatjana Chomitsch besuchten auch die Gethsemane-Kirche in Pankow. Dort finden seit August 2020 einmal pro Woche auch Andachten für Belarus statt. In einem Grußwort appellierte auch der Bischof der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, an die belarussischen Behörden, die politischen Gefangenen freizulassen.

Michael Leh

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