Endloser Konflikt?
Vom Völkermord 1915 bis zur Zweiteilung Armeniens unter Stalin. Dann das Ende der Sowjetunion, der erste Karabach-Krieg 1992 – 1994, 30 Jahre Friedensverhandlungen und der zweite Karabach Krieg im Jahr 2020. Ein endloser Konflikt oder sogar das Ende der Existenz Armeniens? Dieser Beitrag ist die ausführliche Version des im Sonderheft Menschenrechte 2024 abgedruckten Artikels.
Veröffentlichung:
Dezember 2023
Armenien – Aserbaidschan
Endloser Konflikt oder Ende der Existenz Armeniens?
Armenische Flagge in den Basaltsäulen von Garni, der Symphonie der Steine im „Land der Steine“ © IGFM 2023
Schon seit dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion setzte sich die IGFM intensiv für eine friedliche Lösung des seit Jahrzehnten schwelenden Konflikts zwischen Aserbaidschan und Armenien ein. Obgleich der ethnisch-territoriale Konflikt in seiner regionalen Brisanz der des Gazastreifens ähnelt, wurde er von der Weltöffentlichkeit kaum wahrgenommen.
IGFM Jahreshauptversammlung 1992: IGFM-Gründer Iwan Agrusow (Mitte) mit den Sektionsleitern aus Aserbaidschan und Armenien, bemüht um friedliche Konfliktlösung © IGFM
Aserbaidschan hat nun mit dem „Ersten modernen Drohnenkrieg“ Ende 2020 und der letztlichen gewaltsamen Einnahme von Berg-Karabach im September dieses Jahres Fakten geschaffen: Die dort bisher lebenden Armenier sind nun Flüchtlinge in Armenien, die zum Teil Grausames erfahren mussten und um die sich die IGFM-Mitglieder in Armenien kümmern. Mit Beginn des neuen Jahres 2024 ist das offizielle Ende der kleinen Bergrepublik besiegelt, die neuen Straßennamen seitens Aserbaidschans längst mit den Mördern ihrer Ahnen gekürt.
Karabach Armenier nach der zehnmonatigen Blockade und letztlichen Vertreibung völlig erschöpft auf den Straßen von Goris (grenznahes Kernarmenien), während die heimatlichen Straßen schon umbenannt wurden mit den Namen der Verantwortlichen für den Völkermord 1915. © Arman Harutjunjan
Der nachfolgende Beitrag ist eine Orientierungshilfe, den Konflikt in seiner historischen und politischen Dimension besser einordnen zu können.
Vom Völkermord 1915 bis zur Zweiteilung Armeniens unter Stalin
Unmittelbar nach dem erlittenen Völkermord 1915 und 1916 unter Verantwortung der jungtürkischen Regierung im Osmanischen Reich gerieten die Armenier in das neue Staatengebilde der Sowjetdiktatur. Dort durchkreuzten der damalige Diktator Josif Stalin und der erste postosmanische Präsident der jungen Türkei, Kemal Atatürk, die von den westlichen Alliierten in den Pariser Friedensplänen vorbereiteten Landesgrenzen für Armenien. Im vom damaligen amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson gezeichneten Grenzverlauf wurde ganz historisch Westarmenien (im Osmanischen Reich, heutiges Ostanatolien) dem armenischen Staat zugeteilt (Vertrag von Sèvres). Stalin und Atatürk vereinbarten dem entgegengesetzt, dieses Gebiet (über die Hälfte des heutigen Armeniens) der Türkei zu belassen (Vertrag von Kars 1921). Historisch Ostarmenien (im damals Russischen Reich) wurde gezweiteilt.
Bergkarabach
So wurde eine kleine Region in dem Karabachgebirge, wo fast ausschließlich Armenier lebten, als „Autonomes Gebiet Bergkarabach“, der Aserbaidschanischen Sowjetrepublik zugewiesen. Eine ethnische Insel mit eigenen Rechten etwa in der Kommunalverwaltung, eine Enklave auf aserbaidschanischem Territorium. Zudem wurde es den Armeniern verboten, über das Leid des Völkermords zu sprechen.
Michail Gorbatschow – „Wir sind ein Volk!“
Trotz des rigiden Sowjetsystems ersuchten die Armenier über die sieben Jahrzehnte der Sowjetdiktatur hinweg immer wieder die Moskauer Parteizentrale um eine Wiedervereinigung der fast 200.000 Bergkarabach-Armenier mit den drei Millionen Kernarmeniern der Armenischen Sowjetrepublik. Doch selbst Gorbatschow konnte die Büchse der Pandora in dem Vielvölkerstaat, in dem Stalin Grenzen nach seinem Gutdünken vom Moskauer Zeichenbrett gezogen hatte, nicht öffnen, zumal Aserbaidschan unter keinen Bedingungen bereit war, seine territorialen und „historischen“ Ansprüche auf das Autonome Gebiet Bergkarabach aufzugeben.
Das Trauma des Völkermords kehrt zurück
In dieser zunehmend angespannten Stimmung zwischen Armeniern und Aserbaidschanern kam es im aserbaidschanischen Sumgait am 27. Februar 1988 zum ersten Pogrom in der Sowjetzeit an der armenischen Bevölkerung, mit Gräueltaten, deren Fernsehbilder die ganze Sowjetbevölkerung, inklusive der aserbaidschanischen selbst, erschütterten. „Wir werden euch wie Hunde abschlachten“, hieß es schon auf den Flugblättern der in die Stadt eindringenden Meute. Mädchen wurden die Kleider vom Leib gerissen und nackt von der Meute gehetzt, vor ihren Eltern vergewaltigt, Kreuze in die Haut geritzt, aufgespießt oder verbrannt. Schwangere, Kleinkinder und alte Menschen wurden aufgeschlitzt und ihre Leichen zerstückelt. Mit diesem ersten Massaker in der Sowjetzeit waren die Armenier nun wieder zurückgeschleudert in das tiefste Trauma ihrer Geschichte zurückgeschleudert. Millionen Armenier füllten am nächsten Tag die Straßen Jerewans und in Bergkarabachs Hauptstadt Stepanakerts und stellten auf ihren Protestschildern genau diesen Zusammenhang zum Völkermord her.
Jerewan 1988: Massendemonstrationen wie sie es in der Sowjetunion noch nie gegeben hatte. © Armenisches Nationalarchiv
Erster Karabach-Krieg 1992 – 1994: 50.000 Tote und eine Million Flüchtlinge
In dem explosiven Gemisch hatte sich eine grausame Gewaltspirale in Gang gesetzt, die zum jahrelangen, blutigen „Ersten Karabach-Krieg“ führte, der erst 1994, also drei Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion und der neuen Eigenstaatlichkeit beider Kriegsparteien durch das russische Waffenstillstandsabkommen am 12. Mai endete – aus heutiger Sicht ein Waffenstillstandsabkommen, das schon rund drei Jahrzehnte dem OSZE-Mandat der Minsker Gruppe (mit dem gemeinsamen Vorsitz Frankreichs, der USA und Russlands und unter Ausschluss der De-facto-Republik Bergkarabach, seit 2017 umbenannt in Republik Arzach) unterstand.
Der erste Karabach-Krieg hatte bis zu 50.000 Menschenleben gefordert und weit über eine Million Menschen (bis zu geschätzten 400.000 Armeniern aus Aserbaidschan und 750.000 Aserbaidschanern aus der Region Bergkarabach und Kernarmenien) in die Flucht getrieben. Im damaligen Verhältnis zu den Bevölkerungszahlen Armeniens (rund 3,5 Millionen) und Aserbaidschans (ungefähr 7,5 Millionen) offenbart sich die Tiefe und Breite der katastrophalen Eskalation für beide Länder. Wenn man angesichts beiderseitiger großer Opferzahlen überhaupt von Siegern sprechen kann, so war Armenien siegreich, weil sich das sowjetische Autonome Gebiet Bergkarabach ohne einwandfreie internationale rechtliche Grundlage als De-facto-Republik Bergkarabach für unabhängig erklärt hatte sowie rund um Bergkarabach mit Hilfe Kernarmeniens sieben Provinzen als so deklarierten „Schutzgürtel“ besetzt und damit faktisch etwa 15 Prozent international anerkannten aserbaidschanischen Territoriums eingenommen hatte.
Dreißig Jahre Friedensverhandlungen
Mit den drei Leitlinien der OSZE für die Friedensverhandlungen, nämlich Gewaltverzicht, Anerkennung der territorialen Integrität sowie des Selbstbestimmungsrechts der Völker, kam es sozusagen zur ständigen Quadratur des Kreises.
Armenien, das Ursprungsland der „drei Seen“: Urmia (heute Iran), Van (heute Türkei) und hier des Sewan Sees, dem größten Süßwassersee im Kaukasus, in der Provinz Gegharkunik im Osten Armeniens, unweit der Grenze zu Aserbaidschan. Wie fast überall in dem „Freilichtmuseum Armenien“ mit Blick auf ein Kloster, hier auf Sewanawank, gegründet 871 von Fürstin Mariam aus der armenischen Dynastie der Bagratiden. © IGFM 2023
Zweiter Karabach Krieg 2020: 6.000 Tote, 100.000 Flüchtlinge
Wenngleich dieser Rückeroberungskrieg Aserbaidschans ein jahrzehntelang vorbereiteter Krieg mit Ankündigung und fester Unterstützung des NATO-Staates Türkei war, so erhielt er im Westen inmitten der Coronakrise, eines amerikanischen Wahlstimmenkrimis oder der blutigen Unterdrückung der belarusischen Demokratiebewegung bestenfalls mediale Aufmerksamkeit als „erster moderner Drohnenkrieg des 21. Jahrhunderts“. Es war ein Krieg, dem das kleine Bergkarabach nichts entgegenzusetzen hatte und der mit einer totalen Kapitulation Armeniens nach 44 Tagen am 10. November 2020 durch ein von Russland vermitteltes Waffenstillstandsabkommen beendet wurde. In dem Abkommen wurde ein russisches Friedenskontingent eingesetzt. Aserbaidschan erhielt alle sieben der seit 1994 besetzten Provinzen, den sogenannten armenischen Schutzgürtel zurück. Zudem hatte es ungefähr 30 Prozent des ehemaligen Autonomen Gebietes Bergkarabach eingenommen. Auf der einzigen Verbindungsstraße Kernarmeniens zu Karabach – im „Latschin-Korridor“- sollte ein freier Verkehr durch die russischen Truppen gewährleistet werden. Der verbliebene Kernteil Bergkarabachs blieb ein Streitpunkt, da sich die Karabach-Armenier ein Leben unter aserbaidschanischer Herrschaft nicht vorstellen können, zumal sie eine historisch bedingte Angst „vor den Türken“ verinnerlicht haben.
Jerewan, hoch oben von den Kaskaden des „Cafesjian Kunstzentrums“, bei klarem Wetter mit Sicht auf den naheliegenden und dennoch unerreichbaren heiligen Berg Ararat. © IGFM 2023
Position Aserbaidschans
Die Position des autokratischen Herrschers der aserbaidschanischen Familien-Dynastie Alijew, die von der absoluten Mehrheit der Bevölkerung getragen wird, ist klar und einfach:
Nach fast 30 Jahren ergebnisloser Verhandlungsbereitschaft habe man das Recht (gehabt), auf „armenische Angriffe“ militärisch zu reagieren und dabei sein Land mit militärischen Mitteln heimzuholen und den 750.000 Flüchtlingen des Ersten Karabach-Krieges ihre Rückkehr in die Heimat zu ermöglichen. Doch damit nicht genug – in diesen 30 Jahren haben sich zusätzliche aserbaidschanische Positionen gegenüber Armenien fest in die Gesellschaft verankert:
Armenien sei demnach kein indigenes Volk im Südkaukasus und habe sich das dortige christliche Kulturerbe unrechtmäßig angeeignet. Es sei ein barbarisches Volk, das an den Aserbaidschanern zwei Völkermorde verübt und ihnen ihr historisches Land (das heutige Armenien) gestohlen habe. Einen Völkermord hätten dieses Volk nicht erlitten, das sei eine Lüge, und mit seiner Lügenpolitik gegenüber der Türkei und Aserbaidschan habe es den Westen sträflich manipuliert. Frappierend hierbei ist die absolute Selbstsicherheit, mit der diese Positionen vertreten werden, sowie das aggressive „Aufklärungs- und Sendungsbewusstsein“, hinter dem heute „ganze Regimenter“ von eigenen Wissenschaftlern, Verbündeten und Marketing-Experten stehen.
Heidar Alijew – KGB-Schwergewicht
Bei der gesellschaftlichen Verankerung dieser aserbaidschanischen Positionen ebenso wie für das aggressive Sendungsbewusstsein gilt es, den sowjetautokratischen Charakter des Präsidialsystems zu berücksichtigen. Der russische Präsident Vladimir Putin, der ob seiner politischen Strategien und Methoden gerne als der „KGB-Mann“ bezeichnet wird, ist gegenüber Heidar Alijew – „Der Große Führer“ – ein Leichtgewicht. Heidar Alijew war nach über zwanzigjähriger steiler KGB-Karriere 1967 der erste aserbaidschanische KGB-Chef im Lande. Von dort aus wurde er zwei Jahre später zum Ersten Generalsekretär der KP der aserbaidschanischen Sowjetrepublik, um innerhalb des Patron-Klientels von Leonid Breschnjew die höchste Stufe des Sowjetsystems, das Moskauer Politbüro, zu erklimmen. Es war Michael Gorbatschow, der den hochkarätigen 64-jährigen KGB-Mann als Reformgegner 1987 aus dem Politbüro entließ.
Aserbaidschan in der internationalen demokratischen Wertegemeinschaft
Aserbaidschan ist Mitgliedstaat zahlreicher internationaler Organisationen, darunter der Vereinten Nationen, des Europarats, der OSZE, der NATO-Partnerschaft für den Frieden und der UNESCO. Im Rahmen der OSZE hatte sich Aserbaidschan den drei Leitlinien des Verhandlungsprozesses unterstellt. Zudem gibt es seit Ende 2021 zu Aserbaidschan anhängige Gerichtsverfahren des Internationalen Gerichtshofs mit jeweils vorläufigen Urteilen, so am 7. Dezember 2021 in Bezug auf das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD), in dem Aserbaidschan aufgefordert wird, armenische Gefangene aus dem Konflikt zu schützen und die Schändung des armenischen Kulturerbes zu beenden. Weiterhin müssen laut IGH-Chefrichterin Joan Donoghue die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken „jegliches Verhalten vermeiden, das den Streit vor dem Gericht verschlimmern oder ausweiten oder seine Beilegung erschweren würde“. Das zweite IGH-Urteil erfolgte am 22. Februar 2023, in dem Aserbaidschan dazu verpflichtet wurde „unverzüglich die errichtete Blockade aufzulösen bzw. alle die ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um den ungehinderten Verkehr nach und aus Berg-Karabach zu gewährleisten (§ 67)“.
Doch obgleich sich Aserbaidschan nicht an die Auflagen hielt, blieben Ahndung und Rechtsfolgen eher disparater politischer Natur. Und wenngleich es stetige und zahlreiche internationale Rügen ob der militärischen Angriffe Aserbaidschans und seines Bündnispartners Türkei seitens dieser westlichen Staaten gab, so blieb eine offizielle Anklage und Untersuchung aus.
Mutter und Sohn nach der 10monatigen Blockade und gewaltsamer Vertreibung völlig erschöpft auf den Straßen von Goris (grenznahes Kernarmenien), während die heimatlichen Straßen in Berg-Karabach schon umbenannt wurden mit den Namen der Verantwortlichen für den Völkermord 1915. © Arman Harutjunjan
Anerkennung des Völkermords an den Armeniern
Bei Anerkennung der Notwendigkeit globaler realpolitischer Diplomatie und territorialer Rechte Aserbaidschans dürfen gerade jetzt die genozidalen Absichten gegenüber Armenien nicht unterschätzt werden. Die offizielle Anerkennung des 1915 an den Armeniern verübten Völkermords der westlichen Staaten sollte mehr sein als nur die Übergabe eines Formblatts.
Jerewan, Zizernakaberd „Schwalbenfestung“, Gedenkstätte des Völkermords an den Armeniern 1915. © IGFM 2023
Den zum Teil starken westlichen Erklärungen gegen die aserbaidschanische Aggression sowie dem Zuwiderhandeln Aserbaidschans gegen vorläufige Urteile des Internationalen Gerichtshofs muss vor diesem Hintergrund ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Aus der außerordentlichen Fülle von Materialien sei nun im Folgenden versucht, anhand zahlreicher aserbaidschanischer Positionen den Bedarf einer Rechtsprüfung von dem Internationalen Strafgerichtshof zu belegen. Den Positionen sind zumeist Zitate des staatlichen Rechtsvertreters Aserbaidschans, des Präsidenten Ilham Alijew beigefügt (wenn nicht anders gekennzeichnet). Eine genaue Quellenangabe findet sich in der Gesamtdokumentation der IGFM mit dem Titel „Vom ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts zum ersten modernen Drohnenkrieg des 21. Jahrhunderts“.
Missachtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker
Eine Form von Sonderrechten für die Karabach-Armenier, wie es sie selbst unter Stalin in der Sowjetunion gegeben hatte, war in Aserbaidschan nie vorgesehen: „Schon zu Beginn meiner Präsidentschaft habe ich auf die Verfassung und den Heiligen Koran geschworen, die territoriale Integrität Aserbaidschan zu schützen… Wir werden niemals die Bildung eines zweiten armenischen Staates in Aserbaidschan zulassen!“
Briefmarke in Aserbaidschan, 2020, Kammerjäger für Karabach-Armenier.
Leugnung armenischer Identität im Südkaukasus
Von Beginn an wurde in Aserbaidschan Geschichtsrevisionismus betrieben und eine staatlich allein zulässige, von westlichen Forschern als haltlos beurteilte „Albania-Theorie“ vorangetrieben. Hiernach liegt der Ursprung der südkaukasischen Bevölkerung in dem im 4. Jahrhundert christianisierten Königreich „Albania“, während die Geschichte der Armenier im Südkaukasus erst im 19. Jahrhundert mit deren Ansiedlung durch die Russen beginnt.
Leugnung des Völkermords an den Armeniern
Ebenso wie in der Türkei wurde die staatliche Leugnung des Völkermords an den Armeniern in Aserbaidschan implementiert. „Die Armenier haben keinen Grund, sich über die osmanischen Sultane zu beschweren…doch taten ihre Vertreter alles, damit die Saat der Feindschaft kräftig sprießen konnte, und der Hass auf den Staat, der die Armenier auf seinem Land ernährte und tränkte, wurde immer mehr angeheizt… In diesen Jahren entstand im Westen unter dem Einfluss des „Jammerns“ der Armenier die „Armenienfrage“… . Es erschien eine große Anzahl armenischer Krieger und beredter Demagogen, die ohne Gewissensbisse und ohne Erröten in allen Hinterhöfen Europas über die Unterdrücker der Türken schrien… .“ So schreibt der als aserbaidschanischer Volksheld gefeierte, „wissenschaftliche“ Begründer der „Albania-Theorie“, Ziya Bünyadov.
Verhöhnung des Völkermords an den Armeniern
„Diese armenischen Demagogen schrecken nicht davor zurück, solch abscheuliche Taten wie die Ermordung von Armeniern mit der anschließenden Abwälzung der Schuld dafür auf die Türken zu begehen“ (Z. Bünyadov).
Der türkische Präsident feierte nach dem Zweiten Karabach-Krieg auf der Tribüne der Siegesparade gemeinsam mit dem aserbaidschanischen Bruder Ilham Alijew den Hauptverantwortlichen des Völkermords der Jungtürken an den Armeniern: „Heute ist der Tag, an dem die Seele von … Enver Pascha… jubelt… . Heute ist ein Tag des Sieges und des Stolzes für uns alle, für die gesamte türkische Welt.“ (Recep Erdogan)
10. Dezember 2020 – Siegesparade in Baku nach Zweiten Karabach Krieg mit über 6000 Toten – Der türkische Präsident feiert den Hauptverantwortlichen am Völkermord der Armenier 1915, den damaligen Kriegsminister und führenden turanistischen Jungtürken Enver Pascha. © BY 4.0, President.az
Leugnung Völkermord plus doppeltes Gegenmodell
Zusätzlich zur offiziellen Leugnung des Völkermords an den Armeniern stellen die Aserbaidschaner die Forderung der Anerkennung gleich zweier Völkermorde an ihrem Volk seitens der Armenier entgegen. Hier geht es zum einem um Vertreibungen und Massaker an Aserbaidschanern 1918 sowie das Gemetzel von Chodschali während des Ersten Karabach-Krieges 1992. Beide wurden von keinem westlichen Gremium als Völkermord anerkannt, doch in Aserbaidschan per Präsidentendekret (1998 von Haidar Alijew) zum Völkermord der Armenier an Aserbaidschan erklärt, wobei das Massaker von Chodschali als einer der grausamsten Völkermorde der Menschheitsgeschichte bezeichnet und auf eine Stufe mit etwa Hiroshima oder dem Holocaust gestellt wird. (Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial hatte es als Massentötung von Zivilisten verurteilt. Die Zahl der Todesopfer ist nicht geklärt. Aserbaidschanische Behörden selbst nennen 613 Tote; 476 Menschen seien dauerhaft entstellt und von 150 Geiseln fehle jede Spur.)
Rassismus
„Wir werden die Hunde jagen.“ So lautete Alijews Kriegsslogan, der sich sogar auf Drohnen mit dem Schriftzug „iti qovan“ wiederfand, was wörtlich „Hunde-Jäger“ bedeutet.
Für den Kriegstrophäen-Park in Baku wurden armenische Soldaten als hässlich zerschlissene Wachsfiguren mit Hakennasen und abnormen Schädelformen gestaltet und verschiedenen Kriegsszenen zugestellt, zudem ein Spalierbogen aus Hunderten von Helmen getöteter armenischer Soldaten erbaut. In Baku befinde sich „ein gesegnetes Werk … ein sehr wichtiger Wallfahrtsort, insbesondere für Kinder und Jugendliche, entstanden… kein Zweifel daran, dass der Park der Trophäen der meistbesuchte Ort der Hauptstadt sein wird“, meinte die Vorsitzende des Kulturausschusses der aserbaidschanischen Nationalversammlung.
Baku – Kriegstrophäen-Park mit degenerierten Wachs-Nachbildungen armenischer Soldaten, eröffnet 12. April 2021, © BY 4.0 President.az
Leugnung armenischer Kultur im Südkaukasus
Nach der Albania-Theorie gelten sämtliche armenischen Kulturgüter im Südkaukasus als von den Armeniern kriminell angeeignete Kulturgüter des antiken Königreichs Albania.
„Ihre ganze Propaganda ist falsch, die ganze Geschichte ist gefälscht… . Es ist ein alter albanischer Tempel… im Dorf Hunerli. Die Armenier wollten diese Kirche armenisieren und überschrieben hier Inschriften in armenischer Sprache…, dies ist unser altes historisches Denkmal, der Tempel unserer Udi-Brüder… Alle diese Schriften sind gefälschte Schriften, später verfasste Schriften. Sie haben sich in unseren alten Ländern eine falsche Geschichte geschaffen… . Aber es gelang ihnen nicht, wir haben sie bloßgestellt… .“
UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Geghard, 4 Jhd n. Chr., gehört mit seinen charakteristischen, in Fels gehauenen Räumen und Reliefen zu den bedeutendsten Zeugnissen der Armenischen Apostolischen Kirche. © IGFM 2023
Zerstörung armenischen Kulturerbes
Alleine in Berg-Karabach werden somit den Armeniern an die zweitausend Monumente armenisch-christlichen Kulturerbes abgesprochen. Doch schon seit Jahrzehnten wurde in Aserbaidschan armenisches Kulturerbe bereits unumkehrbar zerstört, so etwa der größte armenische Friedhof im aserbaidschanischen Natschitschewan mit 5.000 der berühmten heiligen armenischen Kreuzsteine „Chatschkare“, die unter bildlichen Nachweisen von aserbaidschanischen Soldaten systematisch zerstört wurden. „…Die angebliche Zerstörung armenischer Grabsteine in Nachitschewan… sind absolut falsche und verleumderische Informationen; eine weitere Erfindung der Armenier… . Im Gegenteil, … in den besetzten Gebieten gibt es keine einzige Moschee mehr. Sie haben alles zerstört.“
„Chatschkar“, heiliger Kreuzstein und zentrales kulturelles Symbol der Armenier. Hier am Eingang des Klosters von Geghard unweit der Hauptstadt Jerewan. © IGFM, 2023
Ökonomische Zerstörung
Schon seit 1993 wurde mit dem Bruderbündnis Türkei das kleine Armenien zwischen den beiden Ländern bewusst ausgeblutet: „Daher war eines der Hauptziele, eine wirtschaftliche Rezession in Armenien zu erreichen… . Gegen massivsten Druck mussten wir Armenien in eine Sackgasse verwandeln… . Wir haben alle Transport-, Kommunikations- und Energiewege unter Umgehung verlegt… . Dies allein führte zum Beginn eines Massenexodus aus Armenien“.
Einweihung des Jahrhundert-Vertrags von Haidar Aliew, die BTC-Ölpipeline zum Westen unter aufwendiger Umgehung von Armenien und plakativer Landnahme Südarmeniens (Sangesur-Korridor) schon 2006, so damals veröffentlicht in azer.com
Stolze Briefmarke zum Jahrhundert-Vertrag von Haidar Aliew, die BTC-Ölpipeline zum Westen unter aufwendiger Umgehung von Armenien. 2003.
Langjährige militärische Angriffsvorbereitung
„In diesen 17 Jahren waren die Militärausgaben unsere wichtigsten Haushaltsausgaben… . Es ist heute kein Geheimnis mehr, dass unsere Operationen, Erfolge und Siege im zweiten Karabach-Krieg in den führenden Militärschulen der Welt studiert werden… .“
„Während wir am Verhandlungstisch eine prinzipientreue Haltung an den Tag legten, bauten wir auch eine schlagkräftige Armee auf“.
Gewaltandrohung mit Unterstützung des NATO-Partners
„Schon in den ersten Tagen des Krieges hat mein lieber Bruder (AÜ Recep Erdogan), der verehrte Präsident, verkündet, dass Aserbaidschan nicht alleine, sondern auch auf der Seite der Türkei steht. Es war eine Botschaft für viele, an der Seitenlinie stehen zu bleiben, sich nicht einzumischen… . Das setzt sich bis heute fort. Die Türkei und Aserbaidschan sind die beiden Brüder, die nächsten Länder der Welt. Unsere militärische Zusammenarbeit wird von Tag zu Tag stärker.“
Feindorientiertes rassistisches Bildungswesen
„Die Jugend musste für den Krieg vorbereitet werden: „Es sind unsere Kinder, … die 17 Jahre lang im Geiste des Patriotismus erzogen wurden, die in den Krieg gezogen sind… .“
In den aserbaidschanischen Schulbüchern werden Armenier als „Barbaren, Faschisten, als Blutsauger“ beschrieben, die angeblich blutige Verbrechen begingen, indem sie überall Blut schluckten und an Blut erstickten. Sie sind unbarmherzig und zeigen keine Gnade; sie töten jeden, sogar Kinder, schwangere Frauen und ältere Menschen, und nach dem Töten verstümmeln sie sogar die Leichen.“
Aggressives Sendungsmodell
Da die Weltöffentlichkeit von den Armeniern manipuliert sei, müsse man ihr die „Augen öffnen, ihr zeigen, dass ihr geliebtes armenisches Volk diese Gräueltaten begangen hat. Diese Verbrechen wurden nicht von irgendwelchen Ausländern begangen, sondern von euren geliebten und beschützten Armeniern. Sie haben Moscheen, historische Stätten und Friedhöfe zerstört. Sie haben entsetzliche Gräueltaten begangen“.
„Wir werden die politische Heuchelei und moralischen Werte einiger Staaten nicht länger tolerieren. Entweder steht man auf der Seite des Eindringlings, Aggressors, völkermörderischer Faschisten, von Terroristen, brutalen Mördern, also Armeniens, oder auf der Seite des Rechtes, der Gerechtigkeit, der Würde – Aserbaidschans“. (Ilgar Mammadli, Leiter des Staatlichen Komitees für Flüchtlinge und Binnenvertriebene im Bezirk Pirallahi)
„Natürlich eröffnen uns diese internationalen Beziehungen und die Politik, die wir in der Region und auf der ganzen Welt umsetzen, die Möglichkeit, interne Probleme mit größerem Erfolg anzugehen…und mit den großen internationalen Playern haben wir sozusagen bereits ein etabliertes und tiefgreifendes Kooperationsformat“.
Missachtung völkerrechtlicher Gremien
Ohne all die stetige jahrelange Aufklärungs- und Verhandlungsarbeit auf internationaler Bühne, „hätte sich die anti-aserbaidschanische Initiative der Länder der Minsker Gruppe, die den Ko-Vorsitz in der UNO innehaben, während des Krieges manifestieren können…doch selbst wenn diese oder jene Entschließung angenommen worden wäre, hätte sie uns nicht aufhalten können. Niemand und nichts hätte uns aufhalten können.“
„Die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates sind auf dem Papier geblieben und in solchen Fällen ist eine militärische Intervention unumgänglich“
„Der falschen Propaganda Armeniens wurde ein Ende gesetzt und die ganze Welt erkannte, dass Karabach unser altes historisches Land ist… die ganze Welt hat gesehen, dass Berg-Karabach im Sinne des Völkerrechts ein integraler Bestandteil Aserbaidschans ist.“
Wir, ein Land, das an diesem Prozess teilnimmt, sagen, dass die Minsker Gruppe nicht nötig ist. Es braucht keine Gruppe, die in 28 Jahren kein Ergebnis erbracht hat… . Was soll sie tun? Der Karabach-Konflikt wurde gelöst und die Karabach-Frage ist abgeschlossen“.
Gewaltsame Landnahme armenischen Territoriums seit 2021
Aserbaidschan hat im Grenzkonflikt seit dem Zweiten Karabach-Krieg in zahlreichen Scharmützeln sowie in einer Großoffensive am 12. September 2022 mindestens 50 Kilometer armenischen Territoriums eingenommen.
„…wir mussten uns auf jeden Fall günstigere Positionen in Richtung der aserbaidschanisch-armenischen Grenze sichern, … die historisch aserbaidschanischen Städte sind jetzt für uns sichtbar. Wir sind jetzt schon am Ufer des Bala Goycha Sees…können ihn bereits ohne Fernglas sehen… Sogar die Berge von Nachitschewan sind von den Höhen aus sichtbar, auf denen wir heute ansässig sind. Es diente unserer Rückkehr und unserer Sicherheit. Und es diente als Lektion für diejenigen, die Aserbaidschan nicht als starken Staat akzeptieren. Es zeigte sich einmal mehr, dass uns niemand und nichts aufhalten konnte.“
Karte: Aserbaidschanische Landnahme nach Zweitem Karabach Krieg 2020 © Rr016 wiki-commons, erweiterte Übersetzung IGFM.
Androhung weiterer Landnahme
„Wir haben Blut der Opfer gerächt und werden den wiederaufkeimenden Faschismus der Armenier nie wieder zulassen.
Gewisse rachsüchtige Kräfte, die heute dort ihre Köpfe erheben, sollten wissen, dass die eiserne Faust an Ort und Stelle bleibt und wir sie notfalls so schlagen können, dass das alles für immer ein Ende hat… . Die ganze Welt hat das gesehen und wir werden dafür sorgen, dass die Welt noch mehr sieht… Unser Sieg ist nicht nur der Sieg unseres Volkes, die ganze türkische Welt ist stolz darauf.“
„Wenn danach der armenische Faschismus erneut erstarkt, wird das Ergebnis das gleiche sein. Aserbaidschans eiserne Faust wird ihnen erneut das Rückgrat brechen“.
„Wir realisieren den Sangesur-Korridor, ob es Armenien gefällt oder nicht. Wenn sie es tun, wird es für uns einfacher sein, es umzusetzen, wenn nicht, werden wir es durchsetzen. Genau wie vor und während des Krieges habe ich gesagt, dass sie unser Land verlassen müssen, sonst werden wir sie mit Gewalt vertreiben. Und so geschah es. Gleiches gilt für den Sangesur-Korridor.“
Historischer und territorialer Anspruch auf armenisches Staatsterritorium
Sie haben alle unsere historischen und religiösen Denkmäler in Westaserbaidschan (AÜ: Armenien!) dem Erdboden gleichgemacht. … Sie vertrieben alle Ethnien auf jede erdenkliche Weise von dort, töteten einige, bedrohten andere und brannten ihre Lebensgrundlage nieder. Sie vertrieben alle anderen Nationalitäten von dort und gründeten für sich einen Staat in einem fremden Land. Armenien war noch nie in dieser Region präsent. Das heutige Armenien ist unser Land.“
Heiliges Kreuz in der Felswand am Oberlauf des Azat in der Provinz Kotajk. © IGFM, 2023