Rohingya in Myanmar: Hoffnung auf Rückkehr?
Rohingya-Flüchtlingsdrama: Schon seit Jahrzehnten rechtlos – Regierungschefin verspricht Rückkehrmöglichkeit
Eine der aktuell größten humanitären Katastrophen vollzieht sich am nördlichen Rand von Myanmar (Burma). Mehrere hunderttausend Rohingya, eine Volksgruppe mit einem eigenen Dialekt und muslimisch, fliehen aus dem Rakhine-Staat im Westen Myanmars, wo sie ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ausmachen.
Sie flüchten über die Grenze nach Bangladesch, einige von ihnen weiter nach Thailand, Malaysia und Indonesien. Massive Menschenrechtsverletzungen erlitt diese Bevölkerungsgruppe bereits während der Militärdiktatur. Im Jahr 1982 wurde ihnen die Staatsbürgerschaft aberkannt und so verloren sie viele Rechte, Eheschließung, Familiengründung, Jobauswahl, Reisefreiheit, ja sogar die Religionsausübung wurden kontrolliert, reguliert und vielfach eingeschränkt. Seit der Unabhängigkeit und dem Zerfall Britisch-Indiens 1948 war die Situation dieser muslimischen Rohingya im Grenzgebiet unsicher. Regierungsamtliche Stellungnahmen in Myanmar sprachen stets von „illegalen Einwanderern aus Bangladesch“. Auf Druck von Nationalisten war der Bevölkerungsgruppe schließlich das Recht bestritten worden, im Jahr 2015 beim Verfassungsreferendum mit abzustimmen.
In diesem August erreichte die Situation einen weiteren Tiefpunkt. Die muslimische Rebellengruppe Arakan Rohingya Salvation Army hatte am 25. August Militär- und Polizeiposten angegriffen. Mehrere Sicherheitskräfte wurden dabei getötet. Hunderte unschuldige Menschen kamen bei der anschließenden Kollektivbestrafung um: Brandschatzungen, Zerstörungen ganzer Dörfer, Vergewaltigungen haben Menschenmassen zur Flucht getrieben: Einigen Quellen zufolge sind seitdem rund eine halbe Million Menschen vor den Angriffen durch Polizei- und Militäreinheiten geflohen, fast die Hälfte der insgesamt 1,1 Millionen Rohingya. Viele Flüchtlinge lassen sich nahe der Stadt Cox´s Bazar in Bangladesch nieder, wo ein riesiges Lager in kurzer Zeit aus dem Boden geschossen ist. In Myanmar fristen derzeit noch 120.000 Rohingya als Binnenflüchtlinge ihr Dasein.
Die Hauptursache der Krise liegt in einem Nationalismus begründet, der nicht mit der Militärdiktatur endete: Die UN-Beratungskommission zum Rakhine Staat unter der Leitung des ehemaligen Generalsekretärs Kofi Annan kam in diesem August zu dem Ergebnis, dass eine Verschärfung der Spannungen zu befürchten ist und erst recht mit der Anwendung von Gewalt keine Lösung herbeigeführt werden könne. Immerhin zehn Prozent aller Staatenlosen weltweit leben ihren Angaben zufolge in Myanmar, die größte Gemeinschaft unter ihnen sind die Rohingya. Die „Staatenlosigkeit“ gibt den Behörden in Myanmar erst die Möglichkeit, sie zu „illegalen Einwanderern“ abzustempeln.
Mit der Zunahme von Extremismus unter einflussreichen sunnitisch-islamischen Rechtsgelehrten und Predigern etwa in Pakistan (ebenfalls ehemals Britisch-Indien) wächst auch ein hinduistisch und buddhistisch verbrämter Nationalismus in der Region. Um das Fass zum Überlaufen zu bringen, werden die Rohingya-Rebellen offenbar von der falschen Seite unterstützt: Das Terrornetzwerk Al Kaida rief zum paramilitärischen Einsatz an der Seite der muslimischen Rebellen auf. Daraufhin appellierte die Arakan Rohingya Salvation Army (Arsa) über das soziale Netzwerk Twitter an die Regierungen der Region, islamistische Milizen aufzuhalten, bevor diese sich in den Konflikt einmischen. Sie befürchten eine Eskalation, die ihre Position letztlich weiter schwächen könnte. Internationale Organisationen beklagen derzeit, nur eingeschränkt Zugang in die umkämpfte Region zur humanitären Unterstützung zu erhalten. Besonders bedroht sind offenbar Frauen und Mädchen, wie Meldungen über sexuelle Gewalt zeigen. Der britische Analyst und ehemalige Botschafter John Jenkings verwies auf die starke Rolle der Armee, die selbst im Parlament ein Veto-Recht hat und über der keinerlei Kontrollinstanz steht.
Gegen Myanmars Regierungschefin Aung San Suu Kyi, während ihres friedlichen Widerstands gegen die Militärdiktatur noch in einem Atemzug mit Mahatma Gandhi und Nelson Mandela genannt, wurden schwere Vorwürfe laut: Gleich mehrere UN-Beobachter stellten „ethnische Säuberungen“ oder zumindest „systematische gewaltsame Vertreibung“ fest und kreiden ihr an, dazu zu schweigen. Am 19. September bezog sie endlich – Dank des öffentlichen Drucks – im Fernsehen Stellung, verurteilte Gewalt gegen die Rohingyas, wenn sie auch nicht deren gesamtes Ausmaß darlegte. Gegen all diejenigen, die Menschenrechte verletzten, werde etwas unternommen. Sie beschwor die Einheit des Landes und bat um Geduld für die junge Demokratie. Am 13. Oktober widersprach sie offen Oberbefehlshaber General Min Aung Hlaing, indem sie den Vertriebenen, mehr als eine halbe Million, die Wiedereingliederung zusagte. Der Armee unterstehen Teile der Regierung, neben den Ministerien für Verteidigung und Grenzschutz auch das des Inneren. Wichtig ist, die bisherigen Verbrechen aufzuklären und vorrangig humanitäre Einsätze zugunsten der Rohingya sicherzustellen. Nur durch weiteren öffentlichen Druck, insbesondere von Menschenrechtsorganisationen wie die IGFM, wird sich ihre Lage wirklich ändern.
Die IGFM hat deswegen bereits im Februar 2014 eine Petition an die Regierung in Yangon gerichtet, in der sie sie auffordert, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und Rechtsstaatlichkeit herzustellen. Außerdem appelliert die IGFM an Myanmar, alle diskriminierenden Gesetze, wie das „Staatsbürgerschaftsgesetz“ von 1982 aufzuheben. Bitte unterstützen Sie uns dabei.
Michaela Koller