Urteilsverkündung im Fall der IS-Kämpferin

Die Angeklagte aus Rheinland-Pfalz und ihr syrischer Ehemann hielten drei Jahre lang eine Jesidin gefangen. Als Sklavin wurde die junge Frau missbraucht und vergewaltigt. Nun wurde die frühere IS-Anhängerin für ihr Verbrechen zu neun Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. 

IGFM bei Urteilsverkündung gegen die IS-Kämpferin Nadine K.

Frankfurt am Main / Koblenz, 22. Juni 2023 – Am 21. Juni 2023 wurde vor dem Oberlandesgericht Koblenz gegen Nadine K. das Urteil gesprochen: Neun Jahre und drei Monate Haft. Das Strafmaß wurde begründet mit der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Freiheitsberaubung, Sklaverei, Misshandlung und Vergewaltigung sowie Beihilfe zum Völkermord. Die Verurteilte hatte mit dem hohen Strafmaß nicht gerechnet und war offensichtlich betroffen. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hatte ihren Nahostexperten Khalil Al-Rasho als Beobachter geschickt.

Nadine K, 37 Jahre alt, deutsche Staatsbürgerin, wohnhaft in Deutschland, schloss sich laut Anklage im Dezember 2014 dem IS an und blieb bis März 2019 Mitglied. Sie reiste nach Syrien, wo sie nach islamischem Ritus mit einem syrischen Arzt verheiratet wurde. 2015 zog das Ehepaar nach Mossul im Irak und lebte dort zusammen mit anderen IS-Kämpfern – darunter mutmaßlich weitere Deutsche – in einer Villa, wo sie mehrere Jesidinnen gefangen hielten. Ab April 2016 „hielten“ sich die beiden eine damals 22-jährige jesidische (der IGFM namentlich bekannte) Frau als Sklavin. Nadine K. zwang die Jesidin, Hausarbeit zu verrichten und islamische Rituale einzuhalten, hinderte sie an der Flucht, misshandelte sie und unterstützte ihren Ehemann, der die Jesidin immer wieder vergewaltigte. Das IS-Ehepaar bekam ein Kind in Mossul und zog danach nach Syrien, wo sie ein zweites Kind bekam.

2022 kehrte Nadine K. zusammen mit ihren Kindern nach Deutschland zurück und wurde festgenommen. Der Aufenthalt des Ehemanns ist unbekannt. Die Jesidin, die in dem Prozess in Koblenz als Nebenklägerin berichtete, kam frei, nachdem kurdische Kämpfer das Ehepaar verhaftet hatten. Sie kam für den Prozess in Koblenz aus dem Flüchtlingslager Roj in Syrien und kehrt nach dem Prozess dorthin wieder zurück.

Der Leiter der Humanitären Hilfe Naher Osten (IGFM), Khalil Al-Rasho, beim Prozess am Oberlandesgericht Koblenz mit Zemfira Dlovani, Vorsitzende des Zentralrates der Êzîden in Deutschland.

Die Verkündung des Urteils fand im Oberlandesgericht Koblenz statt. Zusammen mit den Vertretern der Presse, Angehörigen der Angeklagten, Vertreter jesidischer Vereine und dem IGFM-Vertreter Khalil Al-Rasho waren etwa 30 Zuhörer anwesend; es waren noch Plätze frei. Das Verfahren selbst verlief laut Zeugen weitgehend ohne größere Öffentlichkeit. Die Nebenklägerin begrüßte das Urteil als angemessen und gerecht. Auch die Vertreter der jesidischen Vereine zeigten sich zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens. Sie wünschen sich, dass auch der Ehemann vor Gericht gestellt werde und weitere Urteile gegen IS-Terroristen folgen werden.

Al-Rasho sieht in dem Urteil ein kleines Licht in einem dunklen Tunnel verbunden mit der Hoffnung, dass der IS nicht noch einmal solche Verbrechen verüben wird, weil es Gesetze und Richter gibt, die ihre Verbrechen hart bestrafen. Zugleich sieht er in dem Urteil einen Baustein bei der Wiederherstellung der Würde und Ehre der jesidischen Gesellschaft: der Würde der Frauen, die Schreckliches durchmachen mussten, aber auch der Ehre der jesidischen Männer, die ihre Frauen vor diesen Verbrechen nicht haben schützen können. Für die Jesiden sei dieses Urteil auch ein Zeichen, dass ein Leben in der Heimat wieder möglich sein werde.

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