Für viele Iraner ein Schlag ins Gesicht
Anlässlich des Kondolenzschreibens des Bundeskanzlers an den verstorbenen „Schlächter von Teherean“ berichtet IGFM-Vorstandssprecher Valerio Krüger im Gastbeitrag wie die aktuelle Situation im Iran einzuordnen ist. Im Bild zu sehen sind vergangene Demonstrationen der iranischen Demokratiebewegung in Deutschland.
Gastbeitrag von IGFM-Vorstandssprecher Valerio Krüger in der Fuldaer Zeitung
Ein Kondolenzschreiben eines Repräsentanten der deutschen Bundesrepublik kann ein rein diplomatischer Akt sein, es kann aber auch eine Farce sein. Bei dem Hubschrauberabsturz im Iran starb nicht irgendwer, sondern ein Präsident, der für die Hinrichtung tausender Menschen im Iran verantwortlich ist. Allein im letzten Jahr – und während seiner Amtszeit – wurden über 800 Menschen hingerichtet, darunter viele politische Gefangene.
Ebrahim Raisi war Bestandteil eines Regimes, welches seit Jahrzehnten systematisch Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt. Dazu zählen willkürliche Verhaftungen, Folter, Enteignungen, Verbannung, Berufsverbote und Hinrichtungen. Diesem Menschen eine Ehre zu erweisen, ist ein Schlag ins Gesicht der Iranerinnen und Iraner, deren Angehörige Opfer von Raisis Gewaltherrschaft geworden sind. Es ist ein Schlag ins Gesicht der iranischen Demokratiebewegung, die seit Jahren unter Lebensgefahr für Freiheit und gegen das klerikal-faschistische Mullah-Regime demonstriert.
Auch ein Partner Putins ist Raisi gewesen, in seiner Amtszeit exportierte die Islamische Republik Iran massenweise Shahed-Drohnen nach Russland, die dann gegen Ziele in der Ukraine eingesetzt wurden. Das Kondolieren des Kanzlers reiht sich ein in die von Appeasement getragene deutsche Außenpolitik. Das Resultat einer solchen Beschwichtigungspolitik, die die Zweifel unserer Nachbarländer systematisch ignorierte, sehen wir heute in Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Die Mehrheit der Menschen im Iran trauert Raisi jedenfalls nicht nach. Viele sind froh, dass Raisi keine Verbrechen mehr verüben kann.
Dass auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, weitere europäische Mandatsträger und der UN-Sicherheitsrat dem Verantwortlichen für tausende Hinrichtungen die Ehre erweisen, ist ein verstörendes Signal. Es ist auch eine Verhöhnung von tausenden Familien der Opfer, von denen viele härtere Reaktionen der deutschen Regierung gegen das Regime vermissen.
Der Bundeskanzler kondoliert dem Vizepräsidenten Mokhber, der ebenso wie Raisi für ein islamistisches, frauenfeindliches und antisemitisches Verbrecherregime steht. Wer kondoliert, der muss auch handeln und sich glaubwürdig für Menschenrechte einsetzen. Wird Scholz das tun? Seit Jahren fordert die iranische Diaspora, Menschenrechtsorganisationen und Experten, die Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) als Terrororganisation einzustufen. Auch fordern sie, Propaganda- und Spionagezentren wie das Islamische Zentrum Hamburg zu schließen.
„Das Kondolieren des Kanzlers reiht sich ein in die von Appeasement getragene deutsche Außenpolitik.“
Außerdem muss die sofortige Freilassung aller deutschen politischen Gefangenen wie Jamshid Sharmahd und Nahid Taghavi im Iran von der deutschen Regierung verlangt werden. Bisher ist ein entschlossenes Handeln nicht zu erkennen. Kanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock müssen jetzt glaubwürdig auf die Stimmen der iranischen Demokratiebewegung hören und handeln.
Der Beitrag erschien am 23. Mai 2024 in der Fuldaer Zeitung.
Über den Autor
Valerio Krüger ist Politikwissenschaftler (M.A.), Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und seit April 2024 Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM).