Homophobie und Verfolgung von LGBTs in Nigeria

Diese zwei Homosexuellen wurden im Januar 2014 von einem Mob zu Tode geprügelt. Die anwesende Polizei griff nicht ein. Kurz zuvor war das ebenfalls im Januar 2014 in Kraft getretene verschärfte Gesetz gegen Homosexualität in Kraft getreten. Es stellt nicht nur gleichgeschlechtliche Sexualität unter Strafe, sondern u.a. auch gleichgeschlechtlichen Eheschließungen, selbst wenn sie im Ausland stattfanden.

Homosexuelle Handlungen sind in Nigeria nach Bundesgesetzen seit 1901 verboten, einer Zeit, als Nigeria noch aus den britischen Protektoraten Nord-Nigeria und Süd-Nigeria bestand. Abschnitt 214 bis 217 des nigerianischen Strafgesetzbuches verbieten homosexuelle Handlungen noch heute. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, in denen die Scharia – das islamische Rechtssystem – als Strafgesetz eingeführt wurde, sind homosexuelle Handlungen ein Kapitalverbrechen, für das die Scharia die Todesstrafe fordert. Nach dem Willen der dortigen islamischen Autoritäten soll in diesen Fällen die Todesstrafe durch die Steinigung vollstreckt werden. In den anderen Bundesstaaten steht auf homosexuelle Handlungen eine Gefängnisstrafe von 14 Jahren – ohne Ermessensspielraum des Richters.

„Coming out“ ist lebensgefährlich

Generell ist die nigerianische Gesellschaft sehr feindselig eingestellt gegenüber Homosexualität, Transsexualität und anderen von den Vorstellungen der Bibel und des Koran abweichenden sexuellen Neigungen und Gender-Identitäten. Auch ohne die gesetzlichen Vorschriften, die offene Homosexualität bestrafen, ist es in Nigeria ausgesprochen gefährlich, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen; offen schwule oder lesbische Nigerianer sehen sich allermindestens der Ächtung durch ihrer Freunde, Angehörigen und Kollegen ausgesetzt, verlieren ihren Arbeitsplatz und jede Hoffnung, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, wenn sie erst einmal als homosexuell bekannt sind. Sie müssen in jedem Fall mit andauernden Nachstellungen durch homophobe und transphobe Gewalttäter aller Art rechnen. Schlimmstenfalls riskieren sie, von einem wütenden Mob gelyncht zu werden, bevor ihnen die Justiz den Prozess machen und sie verurteilen kann.

Bisi Alimi, der erste Nigerianer, der sich offen als Schwuler geoutet hat, verlor nach seinem „Coming-Out“ seine Arbeit und wurde so intensiv bedroht und drangsaliert, dass er gezwungen war, das Land zu verlassen. Solange er in Nigeria blieb, war sein Leben ständig in Gefahr. Er musste in Großbritannien um Asyl ersuchen; mittlerweile hat er auch die britische Staatsbürgerschaft erlangt. Auch die Fernsehmoderatorin, in deren Sendung Bisi Alimi sich geoutet hatte, verlor ihre Anstellung. Sogar die Sendung selbst wurde von der nigerianischen Fernseh-Behörde eingestellt, weil sie ein solches Ausmaß an Empörung erregt hatte. Bisi Alimi ist nur ein Beispiel unter vielen für die gefährliche Einstellung vieler religiös konservativer Nigerianer zu Homosexualität.

Wurzel der Homophobie in religiösen Vorstellungen

Homophobie und Transphobie haben in Nigeria – wie auch überall sonst – ihre Wurzel vor allem in der Religion. Sowohl die Bibel als auch der Koran enthalten klare Regeln gegen Homosexualität, und obwohl weder die eine noch die andere Schrift Transsexualität explizit erwähnen, haben religiöse Autoritäten sie generell mit in ihr Feindbild aufgenommen. Und zwar mit dem Argument, dass es eine ebenso schwere Sünde sei, die eigene vermeintlich gottgegebene Gender-Identität aufzugeben, wie gegen die vermeintlich gottgegebenen Geschlechterrollen in der Sexualität zu verstoßen.

Umfragen ergeben regelmäßig, dass eine überwiegende Mehrheit der Nigerianer – teils weit über 90 Prozent – der Meinung sind, Homosexualität darf nicht als Lebensweise akzeptiert werden. Neben dem durch extreme Homophobie vergifteten Ton in jedweder Diskussion über das Thema manifestiert sich diese Ablehnung vor allen in weit verbreiteter Unterstützung für Nigerias Anti-Homosexualitäts-Gesetzgebung – einer Gesetzgebung, die der international besser bekannten Gesetzgebung zum gleichen Thema in Uganda an extremer Härte kaum nachsteht.

Langjährige Gefängnisstrafen nach Gutdünken

Ein Kernkonzept in dieser Art von Gesetzgebung ist der Gedanke, dass bestimmte sexuelle Handlungen, vor allem Sexualität zwischen zwei Männern, „gegen die natürliche Ordnung“ verstoße. Im Gegensatz zur üblichen juristischen Praxis, alle möglicherweise relevanten Begriffe in der Gesetzgebung genauestens zu definieren, werden hier langjährige Gefängnisstrafen im Grunde nach Gutdünken verhängt, basierend auf der fragwürdigen Vorstellung, dass bestimmte Handlungen gegen eine unbestimmte und nicht definierte „natürliche Ordnung“ verstoßen, die gleichzeitig schutzwürdig genug ist, um zu ihrer Verteidigung harte Gesetze zu erlassen. Handlungen die im Übrigen erwiesenermaßen auch zwischen Tieren in der freien Wildbahn ohne jede Einmischung des Menschen stattfinden und damit nach jedem vernünftigen Maßstab Teil der Natur sind.

Man muss an dieser Stelle kaum betonen, dass diese menschenfeindlichen Vorstellungen sich über die Tatsachen der Naturwissenschaft hinwegsetzen. Naturgesetze kann man nicht brechen. Alles was ein Mensch tatsächlich tut, mag zwar kulturelle Vorstellungen verletzen, Verstöße gegen die Naturgesetze können es nicht sein. Das gesamte Konzept trotzt dem gesunden Menschenverstand. Fast alles, was wir heute tun, wird durch die Errungenschaften unserer Zivilisation bestimmt. Es sind damit Abweichungen vom vermeintlichen „Naturzustand“ aus einer Zeit, bevor unsere Vorfahren anfingen, Technologien zu entwickeln – wie auch Ideen und Prinzipien, die vom „Recht des Stärkeren“ wegführten und die Grundlage unserer Menschenrechte bildeten.

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