Homosexuellen im Iran droht nach iranischem Strafrecht die Todesstrafe. Foto: dpa / Report / Copyrighted

Homosexualität im iranischen Strafrecht

Homosexualität ist in der Islamischen Republik Iran geächtet. Die Scharia, das islamische Rechtssystem, verurteilt Homosexualität als todeswürdiges „Verbrechen“. Das iranische Strafrecht bedroht Homosexuelle mit Peitschenhieben und der Todesstrafe. Männern droht immer die Todesstrafe, wenn Sie der „passive“ Partner einer homosexuellen Handlung waren. Nach der dahinterstehenden Logik macht sich ein solcher Mann selbst zur Frau und verhält sich damit besonders widernatürlich. Dem „aktiven“ Partner droht unter bestimmten Bedingungen die Todesstrafe, ansonsten 100 Peitschenhiebe. Frauen drohen in jedem Fall 100 Peitschenhiebe.

Im iranischen Rechtswesen werden Homosexuelle als „luti“ bezeichnet. Es handelt sich dabei um einen außerordentlich abwertenden Begriff, der sich von der Person Lot in Genesis und Koran ableitet, bzw. dem „Volk Lots“, dass Lot im Koran scharf verurteilt. Der Begriff hat im Persischen und Arabischen eine deutlich negativere, schmähende Schärfe als im Deutschen z.B. „Sodom und Gomorra“. Ein „Geständnis“ ohne andere „Beweismittel“ kann mit einunddreißig bis vierundsiebzig Peitschenhieben bestraft werden. Ein viermal wiederholtes „Geständnis“ gilt als hinreichender Beweis für die „Schuld“ und die volle Strafe von entweder 100 Peitschenhieben oder der Todesstrafe. Die iranische Justiz lässt vielfach unter Folter erpresste „Geständnisse“ als Beweismittel zu.

Bei der Überarbeitung des iranischen Strafrechts in den Jahren 2012/2013 sind die Regelungen zur Homosexualität geändert worden. Die frühere Fassung sah auch für den „aktiven“ Teilnehmer in jedem Fall zwingend die Todesstrafe vor, wenn er volljährig war. Andererseits ist die frühere Strafmilderung auf „nur“ bis zu 74 Peitschenhiebe für „Unmündige“ in der neuen Fassung entfernt worden.

Zum Verständnis

Teile des iranischen Strafrechts lesen sich für Europäer befremdlich und sind nur mit Hintergrundinformationen zum Islamischen Recht und davon abgeleiteten anderen iranischen Gesetzen zu verstehen. Ein Beispiel:
• Art. 234 erwähnt eine „ständige“ Ehefrau. Im schiitischen Islam, und daher auch im Iran, existiert daneben noch die „Zeitehe“, bei der die Ehe bereits bei der Eheschließung nur für einen Zeitraum oder eine bestimmte Zahl Geschlechtsverkehre geschlossen wird. Die Zeitehe gibt der Ehefrau (noch) weniger Rechte als die reguläre Ehe, die vom Mann jederzeit durch Verstoßen beendet werden kann.
• Derselbe Artikel spricht auch von einer „geschlechtsreifen“ Ehefrau. Nach islamischem Recht ist auch die Verheiratung nicht geschlechtsreifer Mädchen erlaubt, sofern deren Vormund und ein religiöser Richter (qadi bzw. Kadi) zustimmt. Die Zustimmung des Mädchens ist nicht erforderlich. Die Zustimmung des schiitischen Geistlichen erfolgt in der Regel problemlos. Theoretisch dürfen im Iran auch Mädchen im Säuglingsalter verheiratet werden. Vaginaler Geschlechtsverkehr ist mit ihnen allerdings „erst“ ab dem Alter von neun Jahren zulässig – davor ist er nicht strafbar, das Mädchen darf später lediglich nicht verstoßen werden.

• Der Artikel spricht von Geschlechtsverkehr mit der Ehefrau „wann immer (der Ehemann) es möchte“. Das bezieht sich auf die „Verfügbarkeit“ der Frau. Nach islamischem Recht ist die Ehefrau zu sexuellem Gehorsam gezwungen. Der Ehemann „darf“ unabhängig von der Zustimmung seiner Frau „wann immer er es möchte“ mit ihr Verkehr haben – jedoch nicht, wenn sie „unrein“ ist, insbesondere während ihrer Menstruation. Hat ein Sexualverbrecher keine Ehefrau, die ihm nach islamischer Rechtsauffassung zu Willen sein „muss“ und die für ihn verfügbar ist, so gilt dies als strafmindernd.
• Fachbegriffe des islamischen Rechts sind in der Übersetzung der IGFM klein geschrieben. Sowohl im Persischen als auch im Arabischen existiert keine Groß- und Kleinschreibung. Erläuterungen zu den Begriffen finden sich unten.

Zur „Reform“ des iranischen Strafrechts

Nach langen Vorbereitungen ist seit dem 14. Mai 2013 (dem 24.2.1392 des iranisch-islamischen Sonnenkalenders) im Iran ein überarbeitetes Strafrecht in Kraft. An einigen wenigen Stellen enthält es graduelle Verbesserungen. Die allermeisten menschenrechtsverletzenden Inhalte sind jedoch nach wie vor Bestandteil des neuen Strafrechts – an einigen Stellen hat es sogar noch Verschärfungen gegeben. Auch das neue iranische Strafrecht verstößt in vielfacher Weise gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, das Völkerrecht, gegen UN-Mindeststandards und gegen bindende Menschenrechtsverträge, die der Iran ratifiziert hat. Unten finden Sie die Artikel zum Thema männliche und weibliche Homosexualität.

Strafgesetze der Islamischen Republik Iran

Zweiter Teil
Die hadd-Strafen
Erstes Kapitel: Ehebruch [zina] […] Art. 232 – Wenn ein Mann oder eine Frau Ehebruch [zina] weniger als viermal gestehen, erhält er oder sie eine [ta’zir] Strafe des sechsten Grades von einunddreißig bis vierundsiebzig Peitschenhieben. Dieselbe Strafe wird angewandt bei Fällen von männlichem homosexuellem Verkehr, beim Legen des Gliedes zwischen Schenkel oder Gesäß einer anderen männlichen Person oder bei weiblichem homosexuellem Geschlechtskontakt [livat, tafkhiz und musaheqeh, s. unten] [Anmerkung der IGFM: Im Iran gibt es verschiedene Strafkategorien, unterteilt in acht Verurteilungshärten. Stufe sechs: 6 Monate bis 20 Jahre Haft, 31-99 Peitschenhiebe, 20-80 Mio. Rial Strafe] […] Zweites Kapitel:

livat, tafkhiz und musaheqeh [hadd-Strafen wegen Homosexualität]

Art. 233 – [Männliche] widernatürliche Unzucht [livat, homosexueller Verkehr] ist definiert als das Eindringen des Gliedes eines Mannes bis zum Punkt der Beschneidung in den Anus einer anderen männlichen Person.

Art. 234 – Die hadd-Strafe für [männliche] widernatürliche Unzucht [livat, homosexueller Verkehr] ist die Todesstrafe für den Aktiven, wenn er die Tat begangen hat, in dem er Gewalt oder Nötigung angewandt hat oder er die Bedingungen für ihsan erfüllt; andernfalls wird er zu einhundert Peitschenhieben verurteilt. Die hadd-Strafe für den Passiven ist in jedem Fall die Todesstrafe, ob er die Bedingungen für ihsan erfüllt oder nicht.

Anmerkung 1 – Wenn der Aktive ein nicht-Muslim ist und der Passive ein Muslim, dann ist die hadd-Strafe für den Aktiven [in jedem Fall] die Todesstrafe.

Anmerkung 2 – Ihsan ist definiert als der Zustand, in dem ein Mann mit einer ständigen und geschlechtsreifen Ehefrau verheiratet ist, während er zurechnungsfähig und geschlechtsreif mit dieser Ehefrau bereits vaginalen Verkehr hatte als sie bereits geschlechtsreif war, und er mit ihr in derselben Weise wieder [vaginal] Verkehr haben kann, wann immer er es möchte.

Art. 235 – Tafkhiz ist definiert als das Legen des männlichen Gliedes zwischen die Oberschenkel oder das Gesäß einer anderen männlichen Person.

Anmerkung – Das Eindringen [eines männlichen Gliedes in den Anus einer anderen männlichen Person] ohne dass der Punkt der Beschneidung erreicht ist, wird als tafkhiz betrachtet.

Art. 236 – Im Falle von tafkhiz ist die hadd-Strafe für den Aktiven und Passiven einhundert Peitschenhiebe. Es macht keinen Unterschied, ob der Täter die Bedingungen für ihsan erfüllt [s. Definition von ihsan in Anmerkung 2 zu Artikel 234] oder ob der Täter Zwang angewandt hat.

Anmerkung – Wenn der Aktive nicht-Muslim ist und der Passive Muslim, dann ist die Strafe für den Aktiven die Todesstrafe.

Art. 237 – Homosexuelle Handlungen einer männlichen Person, bei denen es sich nicht um livat und tafkhiz handelt, wie Küsse oder Berührungen aus Verlangen, werden mit einer ta’zir-Strafe des sechsten Grades von einunddreißig bis vierundsiebzig Peitschenhieben bestraft.

Anmerkung 1 – Dieser Artikel wird gleichermaßen im Fall einer weiblichen Person angewandt.

Anmerkung 2 – Dieser Artikel wird nicht bei Fällen angewandt, die nach Scharia-Recht mit einer hadd-Strafe geahndet werden.

Art. 238 – Musaheqeh liegt vor, wenn eine weibliche Person ihre Genitalien auf die Genitalien einer anderen Person des gleichen Geschlechts legt.

Art. 239 – Die hadd-Strafe für musaheqeh ist einhundert Peitschenhiebe.

Art. 240 – Bei der hadd-Strafe für musaheqeh gibt es keinen Unterschied zwischen dem Aktiven und Passiven, zwischen Muslimen und nicht-Muslimen, zwischen muhsin und nicht-muhsin, der Anwendung von oder dem Verzicht auf Gewalt. [Anmerkung der IGFM: muhsin ist die Partizipilvariante zu Ihsan: siehe Definition bei Paragraph 234]

Art. 241 – In Fällen von Sexualstraftaten, in denen zulässige Beweismittel fehlen und die Angeklagten die Tat abstreiten, ist jede Art von Ermittlung und Verhör unzulässig, um versteckte Beziehungen und Dinge, die für die Öffentlichkeit verborgen sind, aufzudecken.
In Fällen, in denen möglicherweise Zwang, Nötigung, ein Überfall, Entführung, arglistige Täuschung oder Gewalt angewandt wurde, ist diese Regelung nicht anwendbar.

Erläuterung der IGFM: hadd-Strafen sind nach islamischer Rechtsauffassung solche Strafen, die „Rechtsansprüche Gottes” betreffen. Ihr Strafmaß steht fest, der Richter hat dabei keinen Ermessensspielraum. Bei ta’zir-Strafen hat er einen solchen Spielraum.

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