IGFM-Delegation im Baltikum 2015

Die IGFM-Delegation wird von Verteidigungsminister Juozas Olekas empfangen.
IGFM-Delegation im Baltikum: Litauens Furcht vor dem großen
Nachbarn
Bericht: Edgar Lamm, Vorsitzender der IGFM
Vor dem Sitz der litauischen Präsidentin in der Hauptstadt Vilnius wehen drei Flaggen: Die litauische, die europäische mit dem Sternenkranz und – die NATO Flagge! Die Gründe dafür können nicht überraschen. Beim Empfang einer Delegation der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und des Bundes der Vertriebenen in Vilnius (deutsch: Wilna) im Juli 2015 betonte der Verteidigungsminister Litauens Juozas Olekas, wie sehr sich die baltischen Staaten durch die aggressive Politik Russlands bedroht fühlen. Insbesondere das Vorgehen Putins in der Ostukraine und die Annexion der Krim beunruhigen. Auch die Aufrüstung der russischen Exklave Kaliningrad (Königsberg) in unmittelbarer Nachbarschaft trägt nicht gerade zur Beruhigung bei. Nach Angaben von Minister Olekas sind dort 25.000 Soldaten stationiert. Außerdem 100 Panzer, 600 gepanzerte Fahrzeuge, 200 Geschütze, 90 Flugzeuge und 30 Kriegsschiffe.
Vor diesem Hintergrund hat Litauen beschlossen, in diesem Jahr die Wehrpflicht wieder einzuführen. Außerdem wurde 2014 und 2015 erstmals seit vielen Jahren der Verteidigungsetat erhöht. Die NATO-Flagge vor dem Präsidentenpalast ist ein deutlicher Hinweis, von wem man im Ernstfall Hilfe erwartet. Seit 2004 sind Litauen und die beiden anderen baltischen Staaten Estland und Lettland Mitglieder der NATO und der Europäischen Union. Verteidigungsminister Olekas:
„Die NATO muss sichtbar sein in den Mitgliedsstaaten – durch Bodentruppen, und zwar nicht nur aus den USA. Einigkeit und Solidarität gegenüber Russland sind unverzichtbar. Wenn wir nichts tun, ermutigen wir Russland in seinem aggressiven Vorgehen.“

Gedenkstein für die Opfer der sowjetischen Okkupation in der Hauptstadt Vilnius

Das Genozidmuseum („KGB-Museum“) in Vilnius dokumentiert in eindrucksvoller Weise das Leid der Bevölkerung.
Sowjetische Okkupation bis 1990
Ein Blick in die jüngere Geschichte Litauens erklärt das Misstrauen gegenüber Russland: Von August 1940 bis Juni 1941 war das Land von sowjetischen Truppen besetzt. Mit dem Hilter-Stalin-Pakt von 1939 wurde Litauen dem Deutschen Reich zugeordnet, so dass das Land von 1941 bis 1944 von deutschen Truppen besetzt war. Vom Sommer 1944 bis 1990 war Litauen wieder sowjetisch besetzt.
1990 erklärte Litauen sich für unabhängig. Am 13. Januar 1991 („Vilniusser Blutsonntag“) wurde es noch einmal gefährlich, als sowjetische militärische Verbände – erfolglos – versuchten, die Geschichte zurückzudrehen und die Regierung zu stürzen.
KGB-Museum
Die Opfer der jahrzehntelangen Sowjetherrschaft wie auch der dreijährigen nationalsozialistischen Herrschaft sind heute in eindrucksvoller Weise im Genozidmuseum („KGB-Museum“) in Vilnius dokumentiert. Es befindet sich im ehemaligen Hauptquartier des KGB. An der Außenmauer sind die Namen zahlreicher in den Jahren 1945 und 1946 ermordeter Litauer eingemeißelt. Unmittelbar neben dem Museum erinnert ein Gedenkstein an die Opfer der sowjetischen Okkupation.
Jedem Litauen-Besucher kann eine Führung durch das KGB-Museum nur empfohlen werden!
Die Erschießungskammer bleibt ebenso in Erinnerung wie eine Fotowand mit erschossenen Partisanen aus den Jahren 1944 – 1953. Zu dieser Zeit war es üblich, die getöteten Partisanen auf öffentlichen Plätzen zu präsentieren. Sodann zwang man Frauen aus der Umgebung, sich die Toten anzusehen. Wenn Mütter oder Ehefrauen durch ihre Reaktion zu erkennen gaben, dass es sich um Angehörige handelte, wurde sofort die ganze Familie in Sippenhaft genommen und nach Sibirien ins Arbeitslager verfrachtet.
Berichtet wird der Fall einer Mutter, die ihren getöteten Sohn erkannte, aber keinerlei Reaktion zeigte. Sie starb noch am gleichen Abend an einem Herzinfarkt. Aber sie hatte auf diese Weise das Leben ihrer Angehörigen gerettet.

Außenmauer des ehemaligen KBG-Gefängnisses in Vilnius

Von Sowjets erschossene Partisanen
Fortschritt mit Hilfe der EU
25 Jahre nach dem Ende der sowjetischen Besatzung macht Litauen einen entwickelten und modernen Eindruck. Dies gilt nicht nur aber vor allem für die großen Städte Vilnius oder die Hafenstadt Klaipeda (Memel). Nicht zufällig war Vilnius 2009 Kulturhauptstadt Europas. Und mit Recht gehört die litauische Hauptstadt mit ihrer wunderbaren Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Mit europäischer Hilfe wurde erfolgreich in die Infrastruktur investiert. Zahlreiche Hinweisschilder zeugen von noch laufenden EU-Projekten. Man gewinnt den Eindruck, dass h i e r europäische Gelder gut angelegt sind!
Gleichwohl sind die Einkommen und Renten noch bescheiden und die Arbeitslosigkeit insbesondere im ländlichen Bereich hoch. Die humanitäre Hilfe der IGFM ist weiterhin erforderlich und wird dankbar angenommen. Während unseres Aufenthaltes kam gerade der 145. Hilfstransport (seit 1990!) der Arbeitsgruppe Wittlich bei der Caritas in Vilnius an.

Ankunft des IGFM-Hilfstransports in Vilnius