Digitales Symposium zur Menschenrechtslage im Iran
Am 15. Dezember 2020 fand das diesjährige Symposium zur Menschenrechtslage im Iran in Form einer Videokonferenz statt. Als Experten und Zeugen kamen in der Konferenz Betroffene, Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, politische Paten und NGO-Vertreter zu Wort. Der Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) Martin Lessenthin moderierte die Veranstaltung.
IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin: „Es ist erwiesen: ‚Wandel durch Handel‘ funktioniert mit dem Iran nicht. Es geht nur ‚Handel folgt Wandel‘! Jetzt muss die Politik Bedingungen an den Wandel stellen, damit Zusammenarbeit folgen kann. Als erstes müssen die Hinrichtungen von Regimekritikern gestoppt werden. Wirtschaftliche Zusammenarbeit muss an Fortschritte bei der Einhaltung der Menschenrechte gekoppelt sein.“
Mariam Claren, Tochter der kürzlich verhafteten Kölnerin Nahid Taghavi berichtet über das Schicksal ihrer Mutter. Gemeinsam mit der IGFM organisierte sie in Köln und Frankfurt Mahnwachen für Nahid.
Omid Nouripour, MdB und außenpolitischer Sprecher der Fraktion (Bündnis 90/Die Grünen) warnte vor den zunehmenden Repressionen während der Covid-Pandemie. Am Beispiel mehrerer politischer Gefangener stellte er fest:” Der Iran setzt Covid-19 als Waffe gegen politische Gefangene ein.”
Helmut Gabel vom Verein Karamat berichtet von den Entwicklungen bzw. Rückschritten bezüglich der Menschenrechtslage für die Sufis im Iran. Am Beispiel von Behnam Mahjoubi, der in Haft gefoltert und misshandelt wurde, macht er deutlich, wie mit religiösen Minderheiten umgegangen wird. Der Gesundheitszustand des gewaltlosen politischen Gefangenen ist schlecht. Mahjoubi ist Angehöriger der verfolgten religiösen Minderheit der Gonabadi-Derwische im Iran und muss eine zweijährige Haftstrafe im Teheraner Evin-Gefängnis verbüßen, weil er 2018 an einer friedlichen Protestveranstaltung teilgenommen hatte.
Jascha Noltenius, Beauftragter für Außenbeziehungen der Bahá‘í-Gemeinde in Deutschland und ihr Sprecher in Menschenrechtsfragen, berichtet über die zunehmende Diskriminierung der Bahá‘í im Iran. Dazu gehört unter anderem Bildungsverweigerung, wirtschaftliche Unterdrückung und das Verbot der Religionsausübung. Legitimiert und unterstützt wird dies durch mediale Hasspropaganda und Desinformationskampagnen, in denen die Bahá‘í als Sündenböcke für die wirtschaftliche und gesundheitliche Krise stigmatisiert werden.
Mina Ahadi berichtet aus eigener Erfahrung von den unmenschlichen Haftbedingungen unter denen Menschen in iranischen Gefängnissen leiden. Sie betont, dass die miserablen hygienischen Zustände in den Gefängnissen zu einem erhöhten Ansteckungsrisiko mit Covid-19 für die Gefangenen führt. Es sei zwar ein Teil-Erfolg, dass es in den letzten Jahren keine Steinigungen mehr im Iran gab, jedoch ist die hohe Zahl der ausgeführten Todesurteile weiterhin eine humane Katastrophe, der entgegengewirkt werden müsse.
Journalist Kamran Safiarian machte auf die akute Bedrohungslage von Medienschaffenden aufmerksam. Diese sind nicht nur im Iran massiv gefährdet, sondern auch im Ausland.
Michaela Koller. IGFM-Referentin für Religionsfreiheit: „Schätzungen zufolge leben im Iran bis zu viermal so viel Christen wie offiziell angegeben, fast eine Million davon im Untergrund. Zunehmend mehr Menschen wenden sich erschrocken vom Glauben der herrschenden Mullahs ab. Der Staat reagiert mit brachialer Gewalt: Masseninhaftierungen, grausame Strafen und das zumindest fahrlässige Aussetzen der Gefahr einer COVID-19-Infektion.“
Valerio Krüger stellte das Patenschaftsprogramm der IGFM vor. Allein in diesem Jahr wurden 33 neue Patenschaften mit Abgeordneten aus dem Bundestag, den Landtagen und dem Europarlament abgeschlossen. Die Politiker und Politikerinnen setzen sich persönlich für die Freilassung politischer Gefangener ein.
Dr. Rahim Schmidt, inzwischen nicht mehr Abgeordneter, referierte über seine Unterstützung für Nasrin Sotoudeh und die Gefahr des theokratischen Systems im Iran für Sicherheit in der Region und auch für Deutschland.
Resümierend betonte Martin Lessenthin, dass die deutsche Außenpolitik viel deutlicher gegen die schon 40-Jahre andauernden systematischen Menschenrechtsverletzungen vorgehen müsse, und dass im Iran kein Wandel durch Handel möglich sei.