Vortrag von Liusiena Zinovkina
Die Ukrainerin Liusiena Zinovkina spricht auf der 52. Jahrestagung der IGFM im April 2024 über den russischen Angriffskrieg und die zahlreichen zivilen Gefangenschaften – darunter auch ihr Ehemann Kostiantyn.
„Sie unterwerfen unser Volk schrecklichen Folterungen und zwingen sie fiktive Verbrechen zu gestehen. Verbrechen, die sie nicht begangen haben.“
Transkript vom 20.04.2024
Guten Tag und vielen Dank für Ihre Einladung.
Mein Name ist Liusiena Zinovkina. Ich bin vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen, als meine Heimatstadt Melitopol von russischen Soldaten besetzt wurde. Mein Ehemann heißt Kostiantyn Zinovkin, er ist 34 Jahre alt und befindet sich seit einem Jahr in russischer Gefangenschaft. Mein Mann ist ein Zivilist, kein Soldat – er wurde auf der Straße von Vertretern des russischen FSB (Geheimdienstes) in unserer Heimatstadt entführt.
Wir wussten fast ein halbes Jahr lang nichts über ihn, ich dachte er wäre nicht mehr am Leben. Dann wurde mein Mann auf dem russischen Hauptkanal in einem Propagandaprogramm gezeigt. Die Russen nennen ihn einen Terroristen, einen Zombie und einen kranken Menschen, nur weil er behauptet, dass die Ukraine unabhängig und Russland ein terroristisches Land ist.
Unsere Geschichte ist nur eine von Tausenden. Russland hat seit 2014 mit der Gefangennahme von Zivilisten entgegen dem dritten und vierten Artikel der Genfer Konvention begonnen. Auf dem Territorium Russlands können oder wollen Anwälte Ukrainer, die Russland illegal verhaftet hat, nicht schützen. Mein Mann hat nach Vereinbarung einen staatlichen Anwalt, aber der schützt seine Interessen nicht, er macht alles was Russland ihm sagt. Er kontaktiert mich nicht, ignoriert alle meine Nachrichten und gibt keine Informationen über den Rechtsfall oder zumindest über Kostiantyns Aufenthaltsort.
Kostiantyn wird von Untersuchungsgefängnis zu Untersuchungsgefängnis transportiert, und ich habe ihn monatelang gesucht – z.B ist er im Moment in Mariupol, aber morgen könnte sich das wieder ändern. Offensichtlich wartet er auf einen Showprozess, in dem er zu 15 oder 20 Jahren in einer strengen Kolonie verurteilt wird. Es gibt Hunderte von solchen Ukrainern, hunderte Menschen, die von Russen nur dafür verurteilt werden, dass sie Ukrainer sind. Sie unterwerfen unser Volk schrecklichen Folterungen und zwingen sie fiktive Verbrechen zu gestehen. Verbrechen, die sie nicht begangen haben.
Es gibt noch eine andere Kategorie von verschleppten Zivilpersonen, die Russland nicht bestätigt, obwohl Zeugen und Augenzeugen sicher wissen, dass sie auch entführt wurden. In solchen Fällen sagen wir, dass sich eine Person in der grauen Zone befindet. Es ist unmöglich die genaue Anzahl der vermissten Personen zu bestimmen und welches Schicksal sie erleiden werden. Das ist schwer vorherzusagen.
Wir haben keine andere Wahl als uns an die Weltgemeinschaft zu wenden, uns zu helfen. Wir selbst können diesem Feind nicht standhalten, nur die Intervention eines Drittlandes wird die Befreiung von zivilen Geiseln ohne Bedingungen und ohne Austausch ermöglichen. Unsere Verwandten können nur dann nach Hause zurückkehren, wenn die Weltgemeinschaft von ihnen weiß, wenn die Weltgemeinschaft Russland auffordert, sie freizulassen.
Ich bitte Euch um Hilfe, ich appelliere an das Recht zu leben, für die Einhaltung der Menschrechte, weil jeder Recht auf Leben, Freiheit und persönliche Unversehrtheit hat. Niemand sollte Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt werden. Niemand sollte einer unbegründeten Verhaftung und illegaler Inhaftierung ausgesetzt sein. Solche Menschen sind seit 2014 in russischen Gefängnissen, sie haben keine Zeit mehr zu warten.
Wir müssen unverzüglich handeln!
Switlana Sherban, Ehefrau eines ukrainischen Zivilgefangenen, berichtet
Olena Tsyhipa, Ehefrau eines ukrainischen Zivilgefangenen, berichtet