LGBT-Rechte auf Kuba – alles bestens?
LGBTs werden nicht mehr in Umerziehungslagern als Zwangsarbeiter ausgebeutet. Es gibt eine Reihe erfreuliche rechtliche Fortschritte – doch wie sieht die Praxis aus? Bildquelle: Twitter/CamiloCondis
Keine Umerziehungslager für Homosexuelle mehr
Für den Tourismus nach Kuba und für das Image der Insel als Reiseziel spielt die Situation von Homosexuellen eine spürbare Rolle. Die kubanische Regierung hat das frühzeitig erkannt. Bis 1968 hat das Regime Homosexuelle und Transsexuelle Kubanerinnen und Kubaner in „Umerziehungslagern“ gefangen gehalten, als Zwangsarbeiter ausgebeutet. Wachleute misshandelten, erniedrigten und folterten sie. Doch seit 1979 ist Homosexualität auf Kuba nicht mehr offiziell verboten. Kuba legalisierte 2006 Geschlechtsumwandlungen und Kubaner haben mittlerweile die Möglichkeit, die Geschlechtsangabe offiziell in ihren Ausweispapieren ändern zu lassen. Erfreuliche Fortschritte. Doch wie sieht die Praxis aus? (Stand: Juli 2020)
Die kubanische Regierung hat sich nach außen zum Anwalt von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen (LGBTs) gemacht. Deren jahrelange Diskriminierung und Verfolgung auf Kuba, die unter anderem der Schriftsteller Reinaldo Arenas in seinem verfilmten Roman „Bevor es Nacht wird“ beschreibt, hat selbst Fidel Castro eingeräumt. Gegenüber der mexikanischen Zeitung „La Jornada“ („Der Arbeitstag“) sprach er von einer „großen Ungerechtigkeit“. Einer Ungerechtigkeit, für die er selbst verantwortlich war, denn der General, langjährige Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Präsident und Máximo Líder („Größter Führer“) regierte Kuba 49 Jahre lang mit diktatorischer Allmacht.
Seit Kuba in den 80er Jahren den Tourismus als Devisenquelle entdeckt hat, damals ist sogar Fidel Castro (Präsident von 1976 bis 2008) in seinen öffentlichen Reden sehr auf seinen Ruf als Befürworter der LGBT-Bewegung bedacht. In seiner Biographie „Mein Leben“ kritisiert er die Macho-Kultur Kubas und fordert Akzeptanz und Toleranz gegenüber Homosexuellen. Die aktuelle kubanische Einparteienregierung nutzt dieses Engagement im Bereich LGBT gezielt als Aushängeschild für den Tourismus, Kubas stärksten Wirtschaftssektor. Sie gibt sich alle Mühe, Kuba auf internationaler Ebene als LGBT-freundliches und fortschrittliches Land darzustellen und damit Touristen anzulocken. 2019 nahm Kuba den 70. Platz von 150 für LGBT-freundliche Reiseziele ein. Der Grund für dieses Ranking ist die Nichterfüllung von einigen Anforderungen der Messung:
• Die gleichgeschlechtige Ehe ist immer noch nicht erlaubt
• Es fehlen Regelungen gegen die Diskriminierung und zur Kriminalisierung von Gewalt
• Das Recht auf Adoption ist Homosexuellen nicht gestattet
Staatliche Kontrolle der LGBT-Bewegung
Mariela Castro, Tochter des ehemaligen kubanischen Präsidenten und derzeit amtierenden Ersten Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas Raúl Castro, ist Leiterin des 1990 von ihr gegründeten staatlichen Nationalen Zentrums für Sexualerziehung (CENESEX), dass sich für eine LGBT-freundliche Gesetzgebung einsetzt und Programme zur Sexualerziehung organisiert. Es handelt sich dabei aber um die einzige staatlich zugelassene Organisation, die sich für die Rechte von LGBTs einsetzt. Erlaubt wurden LGBT-Feierlichkeiten erst am 17. Mai 1990 anlässlich des Internationalen Tags gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie. 2019 wurden sie zum ersten Mal verboten. Trotz des Verbots haben politisch aktive Menschen eine nicht genehmigte Parade veranstaltet und sind auf die Straßen gegangen.
Sicherheitspolizeikräfte nahmen die Demonstrierenden fest und versuchten sie zu zerstreuen. Einige von ihnen hatten vor dem Pride Day anonyme Drohungen bekommen: sie sollten nicht an dem Marsch teilnehmen. Mariela Castro versucht mit einer restriktiven und willkürlichen Politik die gesamte LGBT-Bewegung auf Kuba staatlich zu steuern und bis ins Kleinste zu kontrollieren.
Bildquelle: Cubanet / Ana Leon
Gesetzliche Lage: weiterhin Reformbedarf
Das damalige Castro-Regime feierte das 2013 verabschiedete Gesetz, das die Diskriminierung von Homosexuellen am Arbeitsplatz verbietet. Die Diskriminierung auf der Grundlage der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität ist in Kuba illegal. Es bestehen dennoch weiterhin diskriminierende Gesetze wie etwa Artikel 303a des kubanischen Strafrechtes, der besagt, dass die „öffentliche Zurschaustellung von Homosexualität“ illegal sei. Zudem fehlt ein Gesetz, das die offizielle Eintragung einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft ermöglicht. Artikel 36 der kubanischen Verfassung definiert die Ehe als „die freiwillig eingegangene Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau“. Auch Artikel 2 des Familiengesetzes beschränkt die Ehe auf die Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau. Die gleichgeschlechtliche Ehe wurde 2018 erlaubt, aber später im Jahr wieder aus der Verfassung entfernt. Derzeit bleibt eine gleichgeschlechtliche Ehe in Kuba illegal. Im Mai 2019 wurde geäußert, dass im neuen Familiengesetz die Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe aufgenommen und bearbeitet wird, es soll 2021 ein Referendum dazu geben.
LGBT-Aktivist: „Die Welt wird von Mariela Castro getäuscht“
Der unabhängige Journalist und LGBT-Aktivist Mario José Delgado ist der Ansicht, dass die Welt von Mariela Castro getäuscht wird. „Die Anerkennung, die sie auf internationaler Ebene erhält, spiegelt nicht die Ansichten der LGBT-Community auf der Insel wider.“ Delgado wurde vielfach bedroht, um ihn zu zwingen, seine Kritik am Regime einzustellen. Er berichtet von zahlreichen Verhaftungen und gewalttätigen Angriffen durch die kubanische Staatssicherheit, die ganz klar auf sein Engagement für LGBT-Rechte und seine öffentliche Kritik an Mariela Castros repressiver Politik zurückzuführen waren. Einmal warf ihm ein Polizist sogar einen Stein ins Gesicht. Die Angreifer wurden trotz Anzeige nie zur Rechenschaft gezogen.
Anti-Diskriminierungsgesetz nur kosmetisch
2008 wurde die Geschlechtsumwandlung legalisiert. Aber die Situation hat sich trotz des Gesetzes nicht viel geändert. Leodán Suárez ist der Sprecher des unabhängigen LGBT-Projekts „Luz de Vida“ („Licht des Lebens“, scheint heute nicht mehr aktiv zu sein) in Pinar del Rio. Er erklärt: „Die Situation der Transsexuellen hier ist kritisch, wir können nicht aus dem Haus gehen, wir müssen uns verstecken und werden geschlagen und beschimpft. Wir versuchen, so gut es geht zu überleben.“ Die allgegenwärtige Diskriminierung macht es auch schwierig zu arbeiten und zu studieren, so Suárez. Das Gesetz gegen die Diskriminierung am Arbeitsplatz sei nur kosmetisch und habe in der Realität so gut wie keine Bedeutung. Vor allem, wenn ein Regimekritiker eine Diskriminierung anzeigt, sehen die Behörden gerne weg, so Suárez weiter. Seit 2012 warte er selbst auf eine Geschlechtsumwandlung. Da er aber kein Anhänger Mariela Castros ist, sei nicht sicher, ob er überhaupt jemals einen Termin bekomme. Nach Suárez gibt es nur zwei Möglichkeiten, diesen Prozess zu beschleunigen: „Ein Befürworter von Mariela Castro zu werden oder einen Arzt zu bestechen.“
Einige Mitglieder der kubanischen LGBT-Bewegung sind der Ansicht, Mariela Castros Engagement für die LGBT-Rechte erwachse vor allem dem Bedürfnis, ihr nahestehenden Transsexuellen das Leben zu erleichtern. Damit hat Raúl Castros Tochter eine Zweiklassengesellschaft innerhalb der LGBT-Bewegung geschaffen: Auf der einen Seite stehen jene, die offiziell Anhänger des Castro-Regimes sind und dadurch den Schutz der Regierung genießen. Auf der anderen Seite stehen die, die kritisch gegenüber dem Castro-Regime sind – sie werden auf offener Straße diskriminiert, geschlagen und verhaftet und haben keine Möglichkeit, die ihnen zustehenden Rechte wahrzunehmen.
Homophobe Belästigung
Seit 2019 gibt es mehrere Vorfälle von Cyber-Belästigung: mehrere kubanische LGBT-Aktivistinnen und Aktivisten wurden von gefälschten Facebook-Accounts angeschrieben. Manche erhielten sogar Todesdrohungen. Für die Opfer der Belästigungen ist die Legalisierung der gleichgeschlechtigen Ehe das wichtigste Thema auf der Agenda. Der Kampf gegen soziale Vorurteile und gegen die Politik der Regierung geht weiter.