Nazila Maroufian

Die 23-jährige Journalistin wurde bereits aufgrund eines Interviews, das sie mit Mahsa Aminis Vater geführt hatte, verhaftet und verurteilt. Am 30. August 2023 wird sie bereits zum vierten Mal innerhalb eines Jahres verhaftet. Am 3. September 2023 verurteilte man sie nun zu einem Jahr Haft und einer Geldstrafe von fünfzehn Millionen Toman wegen „Propaganda gegen das Regime“. Nun gab sie bekannt, dass sie endlich Zuflucht in Frankreich gefunden hat.
Journalistin findet Zuflucht in Frankreich

Bundestagsabgeordneter Jonas Geissler übernimmt die Patenschaft für Nazila Maroufian.
Nazila Maroufian ist Journalistin und Studentin an der Allameh-Tabatabai-Universität. Sie kommt aus Saqqez und lebt in Teheran. Nach ihrer ersten willkürlichen Verhaftung sowie Verurteilung am 30. Oktober 2022 aufgrund eines Interviews mit Mahsa Aminis Vater wurde sie am 30. August 2023 erneut und damit zum vierten Mal innerhalb eines Jahres verhaftet.
Systematische Unterdrückung der freien Medien
Die 23-jährige Journalistin arbeitet für die iranische Plattform Rouydad 24, eine zuverlässige Quelle für Nachrichten über die Entwicklungen im Iran. Im März jedoch sperrte das iranische Regime die Website, nachdem Nazila ein Interview mit Amjad Amini, dem Vater von Mahsa Amini veröffentlicht hatte. Die kurdische Iranerin Mahsa Amini war im Gewahrsam der „Sittenpolizei“ gestorben. Ihr gewaltsamer Tod war der Auslöser für die größte Protestwelle, welche die Islamische Republik Iran seit ihrer Gründung im Jahr 1979 erlebt hat. Mit der raschen Ausbreitung der Proteste wurde die Unterdrückung freier Medien zu einer der obersten Prioritäten auf der Agenda der Geheimdienste im Iran.
Herzinfarkt in Haft
Im Gefängnis war die junge Journalistin großem Druck sowie psychischer Folter ausgesetzt. Immer wieder wurde sie in Einzelhaft festgehalten. Unter den Bedrohungen und dem Druck während des Verhörs erlitt sie zwei leichte Herzinfarkte. Am Tag der Verhandlung, dem 4. Januar 2023, erlitt sie einen Schwächeanfall und wurde ohnmächtig.
Nazila wurde am 28. Januar 2022 mit den Anschuldigungen „Gemeinschaftliche Absprache und Propaganda gegen das Regime“ sowie „Veröffentlichung von Lügen mit der Absicht, die öffentliche Meinung durch die Veröffentlichung eines Interviews mit Mahsa Aminis Vater zu stören“ zu einer Geldstrafe von 15 Millionen Toman und einem fünfjährigen Ausreiseverbot verurteilt. Ihre Strafe wurde für fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Erneute Verhaftung
Beamte des Geheimdienstes führten am 4. Juli 2023 eine Razzia in ihrer Wohnung durch und forderten Nazila dazu auf, bei der Staatsanwaltschaft vorzusprechen. Auf Twitter teilte sie die Details der Razzia mit, z.B. wie sie ihre persönlichen Gegenstände durchsuchten und Dinge wie Laptop und Smartphone beschlagnahmten. Sie fügte hinzu, dass iranische Bürger und Bürgerinnen trotz der Tatsache, dass sie sogar in ihren eigenen vier Wänden nicht sicher sein können, standhaft bleiben und nicht kapitulieren sollten.
Am darauffolgenden Samstag, 8. Juli 2023, wurde Nazila erneut verhaftet. Kurz vor ihrer Verhaftung hatte sie veröffentlicht, dass sie Wochen zuvor von „Sicherheitskräften“ verprügelt wurde, da sie die Hijab-Regel missachten würde – sie trug keinen Hijab mehr.
Familie fürchtet nun Schlaganfall
Nazila Maroufian wurde am 05. August 2023 wegen Herzbeschwerden in das Taleghani-Krankenhaus eingeliefert. Schon nach ein paar Stunden verließ sie das Krankenhaus und wurde in die Frauenabteilung des Evin-Gefängnisses zurückgebracht. Die Sorge der Familie um die Gesundheit ihrer Tochter ist groß, denn sie erhalten keine genauen Informationen zum Zustand der Journalistin und befürchten aufgrund ihrer Herzinfarkte im vergangenen Jahr, nun einen Schlaganfall.
Anklage ,,Propaganda gegen den Staat“
Einen Tag später fand schließlich in der Abteilung 26 des Teheraner Revolutionsgerichts die Anhörung zur Anklage statt. Nazila Maroufian musste sich gegen den Vorwurf ,,Propaganda gegen den Staat“ verteidigen.
Zwei Freilassungen in zwei Tagen
Am 13. August 2023 wurde sie schließlich nach Hinterlegung einer Kaution von 300 Millionen Toman aus dem Evin-Gefängnis entlassen. Einen Tag nach ihrer Freilassung wurde Nazila Maroufian erneut verhaftet. Berichten zufolge soll sie mit ihrer Mutter zur Polizeiwache gegangen sein, um ihr Handy abzuholen. Dort soll sie von Polizisten geschlagen worden sein. Als ihre Mutter gegen die Schläge protestierte, wurden beide Frauen verhaftet. Zwar wurde ihre Mutter wieder freigelassen, Nazila aber mit einem vorläufigen Haftbefehl in das Gharchak-Gefängnis verlegt. Am 16. August meldete sich Nazila auf ihrem Twitter-Account zurück. Sie wurde freigelassen. Dort teilte sie ein Ausschnitt aus dem Verhör mit – „Bereust du das Foto, das du bei deiner Entlassung gepostet hast? Gibst du zu, dass du einen Fehler gemacht hast?“. Das Foto, welches sie am 13. August veröffentlichte, zeigte Nazila ohne Hijab nach ihrer Freilassung. Sie schrieb: „Nein, ich habe nichts falsch gemacht“ und zeigte sich, wieder ohne Hijab, lächelnd in die Kamera.
Zum vierten mal verhaftet
Am 30. August 2023 brachen Sicherheitskräfte des Regimes in Nazilas Haus ein und verhafteten die 23-jährige zum vierten mal innerhalb eines Jahres. Während der Festnahme schlugen sie mehrmals auf sie ein. In einem Post solidarisierte sich die Journalistin mit dem Sänger Mehdi Yarrahi, der kürzlich aufgrund der Veröffentlichung eines Songs, indem er die Kopftuchpflicht infrage stellt, vom Regime festgenommen wurde. Nun wurde sie am 3. September 2023 zu einem Jahr Haft und einer Geldstrafe von fünfzehn Millionen Toman (300 Euro) wegen „Propaganda gegen das Regime“ verurteilt. Am 9. September 2023 ließ man sie vorübergehend frei.
Vergewaltigung während Festnahme
Nazila Maroufian berichtete am 6. September 2023 in einem Telefonat, dass sie während ihrer Festnahme vergewaltigt wurde. Seit dem 3. September 2023 befindet sie sich im Hungerstreik, um gegen die Misshandlungen zu protestieren.
Zuflucht in Frankreich
Am 10. Oktober 2023 gab die Journalistin auf Twitter bekannt, dass sie Zuflucht in Frankreich gefunden habe. In einem Video auf Instagram berichtete sie, dass sie zuvor im Irak verhaftet wurde und im Soleymanieh Gefängnis schwere Folter erlitt. Nazila wollte ihr Heimatland niemals verlassen aber nachdem sie vier mal innerhalb eines Jahres verhaftet wurde und sich nicht mehr in ihrem eigenen Zuhause sicher fühlte, entschied sie sich zu fliehen. Im Iran teilte man ihr und ihrer Familie mit, dass Nazila niemals mehr über Angelegenheiten im Iran sprechen dürfe, denn sie könnte jederzeit getötet werden. Der Geheimdienst versprach ihr die Möglichkeit zur Eröffnung eines eigenen Café und ein festes monatliches Gehalt von der Regierung, wenn sie strikt die Befehle des Regimes befolgt. Nazila lehnte dies jedoch ab. Ihre einzige Berufschance bestand darin sich mit einem Terrorregime zu verbünden, denn keiner wollte sie mehr als Journalistin einstellen.
Stand: Oktober 2023