Das Martyrium in nordkoreanischen Zwangsarbeitslagern

„…Das Lager war ein Ort, wo „Tiere ohne Schwänze“ hausten.
So nannte man die Gefangenen. …“

Niemand weiß, was mit vielen verschwundenen Menschen geschehen ist.

Soon Ok Lee

Nordkoreas Staatssicherheitsdienst hat seine Spitzel überall. Das Leben der Bevölkerung wird auch im privaten Bereich kontrolliert und reglementiert. Menschen, die sich dem widersetzen, andere Meinungen haben oder sich kleine Freiräume erobern möchten, müssen damit rechnen, dass sie die ganze Härte des Regimes trifft: Bedrohungen, Misshandlungen, Verhöre unter Folter usw. Niemand weiß, was mit den vielen verschwundenen Menschen geschehen ist, die Angehörigen am allerwenigsten. Viele landen in Zwangsarbeitslagern, in denen die Gefangenen grausamste Folter erleiden.

Soon Ok Lee hatte das Glück, nach sechs Jahren in einem solchen Lager überraschend entlassen zu werden. Sie hatte sich geschworen, über das Leben, das sie und ihre ca. 6.000 Mitgefangene führen mussten, zu berichten. Sie will nicht schweigen, sondern Zeugnis ablegen von der Hölle, durch die diese Menschen gehen. Mit ihrem Buch „Lasst mich eure Stimme sein!“ hat sie dieses Versprechen eingelöst.

Was Soon Ok Lees Fall von vielen anderen unterscheidet ist, dass Soon Ok Lee vor ihrer Verhaftung alles andere als eine Regimekritikerin war. Sie wuchs privilegiert auf und durfte an der angesehenen ‚Wirtschaftsuniversität des Volkes‘ studieren. Sie engagierte sich früh in der kommunistischen Arbeiterpartei und glaubte an deren Propaganda: „Jeden Augenblick meines Lebens, ob ich wachte oder schlief, diente ich der Partei. Ich hinterfragte ihre Lehren nie, sie waren für mich die absolute Wahrheit. Ich arbeitete von ganzem Herzen und mit aller Kraft für die Regierung.“ Frau Lees Schicksal zeigt, dass auch Anhänger der Staatsmacht nicht vor deren Intrigen und Grausamkeiten gefeit sind. Da sie einem Offizier der Staatssicherheit eine von ihm gewünschte Gefälligkeit nicht gewährte, sorgte dieser für ihre Verhaftung und Verurteilung zu 13 Jahren Arbeitslager.

Oft wird kein Verfahren eröffnet, also besteht für den Gefangenen keine Möglichkeit zur Verteidigung. „Eines Tages wird man von der Staatssicherheit verschleppt, gefoltert und unabhängig vom Ergebnis des Verhörs für den Rest des Lebens in einem Kwan-li-so (Zwangsarbeitslager für politische Gefangene) festgehalten. Auch die Familie, Eltern, Kinder, Geschwister und Enkel werden verschleppt und in ein Kwan-li-so gebracht.“ Kontakte zu Südkoreanern oder der Empfang südkoreanischen Rundfunks kann den Tod oder Arbeitslager bedeuten.

Deportierte Schwangere werden gezwungen abzutreiben oder bei der Tötung ihrer Neugeborenen zuzuschauen. Der Verdacht, daß der Vater des Babies Chinese sein könnte, ist das Todesurteil.

Die IGFM engagiert sich für Menschenrechte in Nordkorea. Menschenrechtsverletzungen dort wurden unter anderem auch in der Ausstellung „Fields of Shame“ dokumentiert. Die Aussagen der Zeugen, die in der Ausstellung zu Wort kommen, sind erschütternd und weisen darauf hin, daß zwischen 150.000 und 200.000 Gefangene, zum Teil auch deren Familien in Zwangsarbeitslagern gefangen gehalten werden.Besonders setzt sich die IGFM dafür ein, dass Nordkoreanische Flüchtlinge in China von den dortigen Behörden nicht nach Nordkorea zurückgeschickt werden, wo sie schweren Strafen und Verfolgung ausgesetzt sind, sondern in das aufnahmebereite Südkorea reisen dürfen. Hilfsorganisationen schätzen 300.000 Flüchtlinge pro Jahr. Die Menschen flüchten nicht nur aus politischen Gründen, sondern auch um ihre Familie ernähren zu können.

Die staatlich gelenkte Misswirtschaft führt immer wieder zu Hungerkatastrophen. Allein zwischen 1994 und 1998 sind rund 2 – 3 Millionen Menschen an den Folgen von Unterernährung gestorben. Zwar gibt es inzwischen kleinere Lockerungen der Planwirtschaft, doch diese reichen bei weitem nicht aus, dass genügend Nahrung zur Verfügung steht.

Von China aus möchten viele Flüchtlinge weiter nach Südkorea oder ihre Familie nachholen. Dafür nehmen sie Ausbeutung und Sklaverei in Kauf – und das Risiko wegen Flucht aus dem „Arbeiter- und Bauernparadies“ in Lager gesperrt zu werden. In China sind die Flüchtlinge unerwünscht. Wer dort ‚illegale‘ Nordkoreaner unterstützt, muss mit hohen Geldstrafen rechnen. Wer Flüchtlinge bei der Staatsmacht denunziert, wird belohnt.

Der folgende Erfahrungsbericht basiert auf Auszügen aus dem Buch von Soon Ok Lee, einer Frau, die all diese Grausamkeiten selbst erlebt hat oder bei Mitgefangenen mit ansehen musste. Durch den Bericht wird deutlich, dass hinter den Zahlen und Zeugenberichten, die so unfassbar sind, dass man sie kaum glauben kann, ganz normale Menschen und Familien stehen, die ihr Leben einfach nur friedlich und in Sicherheit leben möchten.

Soon Ok Lee berichtet:

„…Während der vierzehn Monate meiner Untersuchungshaft erlitt ich unglaubliche körperliche und seelische Qualen. Als eine eher zarte Frau konnte ich sie fast nicht ertragen. Nach einer Orgie der Drohungen, Folterungen, Versprechungen und Lügen wurde ich zu dreizehn Jahren in einem so genannten Resozialisierungslager verurteilt. In solche Lager kommen in Nordkorea Menschen, die nicht nach der Pfeife des Regimes tanzen. (…)

Mein ganzes Leben lang hatte man mir eingetrichtert, dass der Nordkoreanische Kommunismus jeden einzelnen Menschen ehrt und schätzt. Was ich in diesem Lager erlebte, mochte ich zuerst nicht glauben.

Die Gefangenen durften nicht miteinander sprechen, nicht lachen, nicht singen oder in einen Spiegel schauen. Beim Verhör mussten sie kniend und mit gesenktem Kopf die Fragen beantworten. Jeden Tag hatten sie achtzehn Stunden Zwangsarbeit zu leisten. Wer sein Tagessoll nicht erfüllte, kam in eine Strafzelle.

Das Lager war der Ort, wo die „Tiere ohne Schwänze“ hausten. So nannte man die Gefangenen. Wie die kommunistische Partei Menschen so behandeln konnte, war mir mehr als unbegreiflich. Wie konnte sie – und das in Friedenszeiten – Menschen, die zu den Ihren gehörten, foltern und ihre eigenen Lehren und Ideale verraten? (…)

Hak Nam Kim setzte seine Folterungen fort. Er war wie ein rasendes Tier. Die Schläge waren nicht mehr ganz so schlimm, aber jetzt wurde ich jeden Abend ins Verhörzimmer gebracht und ständig das Gleiche gefragt. Immer wieder legte Hak Nam Kim mir das Papier mit meinem „Geständnis“ vor. Er schrie mich an: „Früher hast du alles kontrolliert, weil du Parteimitglied warst, aber jetzt bist du in unserer Hand! Wenn du nicht krepieren willst, dann unterschreib! Je länger du wartest, umso schneller wirst du ein Geist.“ Er verdrehte mir zum x-ten Male die Finger, während er so schrie. (…)

Dann änderte er die Folter und gab mir immer weniger zu essen. Durch die Unterernährung sowie die „Gefrierfisch-Folter“ schwollen die Frostbeulen an meinen Füßen und Ohren noch mehr an und wurden rot und eitrig. Ich konnte vor Schmerzen nicht mehr schlafen und mir war so schwindlig, daß ein, zwei Schläge ausreichten, um mich zu Boden stürzen zu lassen. Wenn ich während der Folter zusammenbrach, schleiften sie mich wie ein Stück Vieh zum Wasserkessel und gossen mir kaltes Wasser über den Körper. … Manchmal musste ich in den nassen Kleidern zurück in meine Zelle. Da ich keine anderen Kleider hatte, mußte ich dann versuchen, in den klammen Kleidern zu schlafen. (…)

Ich fand bald heraus, dass in dem Provinzuntersuchungszentrum zwei Schichten von je zwölf Gefängniswächtern arbeiteten. Obwohl die meisten von ihnen unter dreißig und in der Hierarchie ziemlich unten angesiedelt waren, waren sie stolz auf ihre Position und behandelten die Häftlinge brutal. Gefangene, die aus anderen Untersuchungsgefängnissen kamen, misshandelten sie besonders schlimm, da sie als hoffnungslose Fälle galten.

Das Gefängnis hatte zwanzig Zellen, je zehn zu beiden Seiten eines langen Flurs. Man betrat und verließ die Zelle durch eine Hintertür, die nicht viel größer als eine Hundeklappe war; man musste buchstäblich durch sie durchkriechen. Wegen der Wände zwischen den Zellen wusste man nicht, wer in der Nachbarzelle war, aber wer schon länger da war, konnte Namen und Heimatort seines Nachbarn herausfinden, indem er darauf achtete, was die Wächter sagten.

Wer nicht gerade verhört wurde, musste mit gekreuzten Beinen und gesenktem Kopf auf dem Boden der Zelle sitzen. Noch nicht einmal den kleinen Finger durfte man bewegen. Diese Reglosigkeit dauerte von fünf Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Die siebzehn Stunden ohne jede Bewegung ließen unsere Hüften und Beine anschwellen und taub werden. Es war eine der schlimmsten Folter. Zwei Wächter marschierten hin und her durch den Flur und achteten auf jede Bewegung. Wenn sie sahen, dass ein Gefangener sich bewegte, befahlen sie ihm aufzustehen, und schrien: „Du Sch…, warum hast du dich bewegt? Kitzelt dich was, weil ich dich nicht schlage? Steck deine Hände durch das Gitter und mach die Finger auseinander!“

Sobald der Gefangene seine Hände durch das Gitter steckte, schlug der Wächter ihm mit einem Gummiknüppel auf die Finger. Gehorchte er nicht, bekam er gleich noch zehn Schläge. Nach dieser Behandlung schwollen die Hände so an, daß man die Finger lange Zeit nicht mehr bewegen konnte. Wenn ein Häftling nicht schnell genug die Hände ausstreckte, stieß der Wächter ihm einen langen Holzstiel in die Seite.

In dem Provinzuntersuchungszentrum verwandelten die Männer sich binnen drei Monaten in wandelnde Skelette. Ihre Köpfe waren kahl geschoren, und ihre Haut sah aus, als ob sie an ihre Knochen geklebt war. Kim Woong Kil, Leiter der Exportbehörde, starb schon bald nach seiner Ankunft in dem Zentrum. …“

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