Kurdistan-Reise Januar 2024 

Autonome Region Kurdistan/Nordirak und Nordost-Syrien

Reisebericht vom 14. bis zum 28. Januar

Vom 14. bis zum 28. Januar 2024 reiste der Leiter der humanitären Hilfe Naher Osten, Khalil Al-Rasho, in die Autonome Region Kurdistan/Nordirak, um dort die momentane Situation der Flüchtlinge zu beurteilen.

Vor Ort nahm er Kontakt mit syrischen Christen aus al-Hasaka und dem syrisch-orthodoxen Bischof Morits Hamsikh auf. Mit Hilfe der Stephanus Stiftung konnten insgesamt 3.500 Euro an finanzieller Unterstützung für christliche Studenten, Kirchenmitglieder in Armut und Menschen mit Behinderung überwiesen werden.

Nach einem Gebet für Frieden auf der Welt, dankte Bischof Hamsikh der IGFM und erbat weitere finanzielle Unterstützung, da es unmöglich ist, Sachspenden nach Syrien zu liefern und Hilfe dort dringend benötigt wird.

Doch auch in der Autonomen Region Kurdistan ist die Situation besorgniserregend. Die Reise nach Kurdistan/Nordirak fand in einer schwierigen Zeit für die Region statt, die von mehreren Angriffen der iranischen Revolutionsgarde (IRGC) auf Erbil geprägt war. Die Angriffe fanden unter dem Vorwand der Bekämpfung angeblicher israelischer Spione statt. Die eigentliche Ursache war jedoch einerseits der Hass der schiitisch-islamischen Regierung gegen Kurden und die Anwesenheit der Vereinten Nationen, vor allem der Amerikaner, in Erbil und ihre Zusammenarbeit mit der kurdischen Regierung. Andererseits spielte auch der Religionshass zwischen den Schiiten, die mit der irakischen Zentralregierung zusammenarbeiten, und der sunnitischen Kurden, die eng mit der Türkei zusammenarbeiten, eine große Rolle.

Bei den Angriffen auf Erbil wurde die einjährige Jina (Zhina) Peshro Dizaei und ihr Vater, der Geschäftsmann Pishro Majid Dizaei, sowie mindestens ein Freund der Familie aus Dubai getötet. In mehreren Städten fanden daraufhin Proteste statt, um Solidarität mit den unschuldigen Opfern der Angriffe zu bekundigen. In Shekhan demonstrierten rund 3.000 Menschen, die IGFM schloss sich den Protesten an.

Demonstration in Shekhan
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Nach der Demonstration traf er sich mit dem Beauftragten für die Jesiden und Abgeordneten des kurdischen Parlaments, Shach Zedo, dem Gemeindeleiter aus Shekhan, Khaled Narmo, und einem Vertreter der Barzani Charity Foundation (BCF), Shero Simo, um die Situation in der Autonomen Region Kurdistan und die Zukunft der Flüchtlinge zu besprechen. Bezugnehmend auf eine Sitzung der irakischen Zentralregierung und den Flüchtlingsministern, wurde auch über die Rückkehr der Flüchtlinge nach Shingal beraten.

Khalil Al-Rasho bei einem Treffen mit einem Vertreter der BCF, dem Abgeordneten des kurdischen Parlaments und dem Gemeindeleiter Shekans

v.l.n.r. Shero Simo, ein Vertreter der Barzani Charity Foundation (BCF), Leiter der humanitären Hilfe Naher Osten, Khalil Al-Rasho, Beauftragter der Jesiden und Abgeordneter des kurdischen Parlaments, Shach Zedo und Gemeindeleiter aus Shekhan, Khaled Narmo.

Unserer Einschätzung nach, ist eine sichere Zukunft in Shingal allerdings nicht gewährleistet. Grund dafür sind die Anwesenheit schiitischer Milizen der Zentralregierung und mehreren anderen bewaffneten Gruppen wie der PKK in der Region um Shingal. Durch mehrere Treffen mit Flüchtlingen und Camp-Leitern in der Region konnte festgestellt werden, dass zwar in jedem Flüchtlingslager Familien nach Shingal zurückkehren, gleichzeitig aber auch Familien aus Shingal zurück in die Flüchtlingslager kommen.

Die Zentralregierung hatte zurückgekehrten Familien finanzielle Unterstützung bis Ende Juni versprochen, um es diesen zu ermöglichen, ihre Häuser wiederaufzubauen. Für Paare, die nach 2014 geheiratet haben, wurden als Unterstützung der neugegründeten Familien zudem die Schenkung kleiner Grundstücke zugesagt. Herr Al-Rasho drückte jedoch seine Zweifel daran aus, ob das Zugesagte auch durchgeführt würde und wies auf das Misstrauen der Kurden gegenüber der Zentralregierung hin, da diese bereits mehrere Versprechen nicht eingehalten hat.

Zusätzlich ist auch die Lage in den Flüchtlingslagern selbst kritisch, da die Zentralregierung die Infrastruktur und Lebensmittelzufuhr stark vernachlässigt. Flüchtlinge sind damit gezwungen die Lager zu verlassen und ins Ausland auszuwandern oder nach Shingal zurückzukehren, was aufgrund der momentanen Sicherheitslage praktisch unmöglich ist. Tausende von Familien haben zudem inzwischen in Kurdistan Wurzeln geschlagen und Arbeitsplätze innerhalb und außerhalb der Lager gefunden, was eine Rückkehr nach Shingal ebenfalls schwierig macht.

Khalil Al-Rasho mit den Leitern der Flüchtlingscamps Kabartu und Mamrashan

Khalil Al-Rasho mit den Leitern der Flüchtlingscamps Kabartu und Mamrashan

Ein weiteres Problem in den Flüchtlingslagern ist die Vernachlässigung der Schulbildung. In den Flüchtlingslagern gibt es zwei unterschiedliche Schulsysteme: das kurdische und das arabische. Schulen, die von kurdischer Seite unterstützt werden, sind weitaus besser ausgestattet. In arabischen Schulen herrscht Lehrermangel, da viele Lehrer zwar eine Ausbildung haben, aber von der Zentralregierung nicht fest angestellt werden. Viele Lehrer arbeiten deshalb ehrenamtlich mit der Hoffnung, dass sie in der Zukunft irgendwann eingestellt werden. Manche arbeiten schon seit Jahren auf ehrenamtlicher Basis.

Besonders in den 9. Klassen, in denen momentan Klausuren geschrieben werden, ist der Lehrermangel auffällig. Nach Diskussionen mit Lehrern und Schulleitern vor Ort, wurden mit Hilfe der IGFM Nachhilfe-Kurse in verschiedenen Flüchtlingslagern organisiert.

In Camp Mamrashan wurde auf Wunsch des Camp-Leiters ein Nachhilfekurs in Englisch gestartet, der seit dem 1. Februar läuft. In dem Kurs befinden sich 60 Schüler, die Unterstützung nötig haben und in zwei Gruppen aufgeteilt jeden Tag zwei Stunden Englisch-Unterricht bekommen. Der Kurs wird von einem Lehrer betreut, der schon seit Jahren ehrenamtlich arbeitet und auf eine feste Anstellung wartet. Die IGFM stellt ihm nun 50€ für die Beschaffung von Unterrichtsmaterialien und 200€ Gehalt nach Ablauf des Kurses zur Verfügung.

Khalil Al-Rasho mit Englischlehrer Ezdo

v.r.n.l. Khalil Al-Rasho mit Englischlehrer Ezdo

In Camp Esyan wurden insgesamt vier Kurse in den Fächern Englisch, Physik, Chemie und Mathematik gestartet, an denen ungefähr 130 Schüler teilnehmen. In Camp Khanke, sowie in unserem IGFM-Zentrum vor Ort wurden außerdem Programmierungs-, Alphabetisierungs-, Musik-, und Nähkurse gestartet.

Die IGFM bietet schon seit Jahren vergleichbare Kurse in mehreren Lagern an. Insbesondere der Alphabetisierungskurs für Frauen und Mädchen, die infolge von Trauma nach ihrer Verschleppung und dem Missbrauch durch IS-Schergen keine Schule besuchen konnten, hat eine große Bedeutung.

Wie solche Kurse und auch diese Reise erneut gezeigt haben, ist die Arbeit der IGFM vor Ort sehr wichtig. Es ist zudem nötig, regelmäßig anwesend zu sein, um die Arbeit im Nahen Osten weiter voranzutreiben.

Weitere Eindrücke unserer Reise

Weitere Informationen zu humanitären Hilfeleistungen der IGFM

Rumänien: Schulbesuch als Chance fürs Leben

Die IGFM-AG Fulda fördert in der rumänischen Region Brăila durch ein Schulpatenprojekt die Bildung Heranwachsender, deren Eltern als Tagelöhner kaum über die Runden kommen. Sie unterstützt dort nicht nur notleidende Familien, sondern auch Menschen mit Behinderungen und alte Menschen. Jedes Jahr reist eine Delegation nach Rumänien, um sich von den Fortschritten zu überzeugen und neuen Bedarf festzustellen. Lesen Sie im Folgenden den Bericht der Arbeitsgruppe über ihren Besuch im Herbst 2024.

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