Sahand Nourmohammadzadeh

Der junge Teheraner Sahand Nourmohammadzadeh, geboren 1996, wurde aus willkürlichen Gründen verhaftet und aufgrund „Moharebeh” (Kriegsführung gegen Gott) zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Zu sechsjähriger Haftstrafe verurteilt
Der junge Teheraner Sahand Nourmohammadzadeh, geboren 1996, wurde aus willkürlichen Gründen verhaftet und aufgrund „Moharebeh” (Kriegsführung gegen Gott) zum Tode verurteilt. Am 29. März 2023 hob der zuständige Richter schließlich das Todesurteil auf, aber die Anklage blieb bestehen. Stattdessen wurde er zu zehn Jahren Verbannung nach Kahnouj in der Provinz Kerman aufgrund von ,,Moharabeh“ (Krieg gegen Gott), fünf Jahren Haft wegen ,,Versammlung und geheimer Absprachen“ und einem Jahr Gefängnis sowie 74 Peitschenhieben aufgrund ,,Störung der öffentlichen Ordnung“ verurteilt.
Hintergrund
Anfang Oktober 2022 fanden Proteste außerhalb der Teheraner Einkaufspassage statt, in der Sahand Nourmohammadzadeh in einem Juweliergeschäft arbeitet. Als er laute Geräusche außerhalb des Gebäudes hört, verlässt er das Geschäft. Vor der Einkaufspassage versammelten sich viele Menschen und blockierten den mehrspurigen Schnellweg mit brennenden Mülltonnen und abgerissenen Schutzplanken. Sahand wurde von einer Videokamera vor dem Einkaufszentrum aufgezeichnet, wie er eine Schutzplanke auf der Straße verschob und einmal gegen eine brennende Mülltonne trat. Dem Video ist nichts weiter zu entnehmen, aber aufgrund dessen wurde er aus fadenscheinigen Gründen verhaftet und zum Tode verurteilt.
Am 11. Dezember 2022 wurde er von der iranischen Justiz wegen „Moharebeh“ „Kriegsführung gegen Gott“ und Brandstiftung öffentlicher Einrichtungen zum Tode verurteilt, weil er versucht haben soll, die Leitplanke einer Autobahn zu durchbrechen und eine Mülltonne in Brand zu setzen.
Verhaftung und erzwungenes Geständnis
Am 4. Oktober 2022 wurde er zu Hause verhaftet und mit einer Augenbinde abgeführt. In einer Nebenstraße wird sein Handy von den Basij-Milizen nach Beweismaterial, wie Bilder oder Videos von Protesten durchsucht, die aber nicht zu finden waren.
Während seiner Inhaftierung verbrachte Nourmohammadzadeh einige Tage in einer Einzelzelle eines Gefangenenlagers der Islamischen Revolutionsgarden und in einem „sicheren Haus“ (dessen Ort die Familie nicht kannte und seinen Sohn auch nicht besuchen durfte), bevor er zum Verhör in das Großgefängnis von Teheran verlegt wurde.
Um mit seiner Familie telefonieren zu dürfen, musste er ein gezwungenes schriftliches Geständnis, die ihm vordiktiert wurde abgeben. Nourmohammadzadeh willigt nur ein, da ihm kurz zuvor von einem Wärter mitgeteilt wurde, dass es seiner Mutter nicht gut ginge und sie einen Schlaganfall erlitten hätte. Der Vernehmungsbeamte diktierte unter anderem folgendes und forderte ihn auf zu schreiben „Ich habe Leute gerufen, die das Geländer entfernen sollen, und sie haben es entfernt […]“.
Nourmohammadzadeh berichtet seiner Familie, dass er von der ersten Sekunde an extrem psychisch schikaniert wurde. „Sie verbanden mir die Augen und sagten, es sei an der Zeit, mich hinzurichten. Ich war sehr verängstigt. Ich wusste nicht, dass sie mich für eine Pause mitnehmen würden.“
Todesstrafe aufgehoben
Sahad Nourmohammadzadeh wurde von der Abteilung 29 des Teheraner Revolutionsgerichtes zunächst zu Tode verurteilt. Zusätzlich wurde ihm das Recht entzogen an der Gerichtsverhandlung zu erscheinen. Laut BBC Persian teilte Nourmohammadzadeh in einem Telefoninterview mit, dass ihm im Verhör unter Folter mitgeteilt wurde, dass er unmittelbar hingerichtet wird. Er sei ebenfalls mehrmals zu einer ,,Scheinhinrichtung“ mitgenommen worden. Der Prozess soll dabei lediglich sieben Minuten gedauert haben und er habe nicht gewusst, weshalb er angeklagt wurde. Am 29. März 2023 hob der zuständige Richter schließlich das Todesurteil auf, aber die Anklage blieb bestehen. Stattdessen wurde er zu zehn Jahren Verbannung nach Kahnouj in der Provinz Kerman aufgrund von ,,Moharabeh“ (Krieg gegen Gott), fünf Jahren Haft wegen ,,Versammlung und geheimer Absprachen“ und einem Jahr Gefängnis sowie 74 Peitschenhieben aufgrund ,,Störung der öffentlichen Ordnung“ verurteilt. Im Normalfall wird im Iran die Höchststrafe vollstreckt, Nourmohammadzadeh muss aber sowohl sechs Jahre Gefängnis als auch zehn Jahre Exil als Strafe verbüßen.
Willkür und Scheinprozess
Grundlage für die Verurteilung war ausschließlich das Video des Einkaufszentrums, auf dem nicht zu sehen ist, wie er eine Leitplanke durchbricht oder ein Feuer legt. Nourmohammadzadeh berichtet, dass der Richter bereits beim ersten Anblick gesagt hätte: „Man sieht es ihm direkt an, er muss hingerichtet werden“. In dem Schauprozess wurde Nourmohammadzadeh kein Anwalt seiner Wahl erlaubt, es wurde ihm ein Anwalt vom Gericht zugeteilt.
Vor dem Gericht erklärte Sahand, dass er gegen die Tonne getreten habe, um sein Motorrad, das in direkter Nähe geparkt war, vor einer eventuellen Explosion der Tonne zu schützen. Er wies alle weiteren Vorwürfe des Gerichts zurück und führte aus, den Zaun lediglich verschoben zu haben, dass er aber an keinen Protest teilgenommen und nicht die Absicht hatte, Unruhe zu stiften.
Nourmohammadzadeh trat am 13. Dezember 2022 in einen Hungerstreik und fordert ein faires Verfahren für seine Verurteilung. Einer seiner Mithäftlinge gibt an, dass sich Nourmohammadzadeh in keiner guten gesundheitlichen Verfassung befinde, sein Blutdruck zu niedrig sei, er aber trotz allem auf seine Forderung weiterhin bestünde.
Verlegung
Am 04. August 2023 wurde er nach der Schließung des „Rajai Shahr“-Gefängnisses in Karaj in das Qezal-Hesar-Gefängnis verlegt. Sein Vater teilte mit, dass die Bedingungen dort schlimmer seien als zuvor und keine Trennung zwischen politischen Gefangenen und Gewaltverbrechern vorgenommen wird. Am 09. August 2023 gab sein Vater auf Instagram bekannt, dass Sahand wieder vom Qezel-Hasar-Gefängnis in Karaj in das Kahnuj-Gefängnis in Kerman verlegt wurde.
Stand: August 2023