Religionsfreiheit im Fokus: Am 10. Dezember 2021 stellten die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) die Jahrbücher 2021 „Religionsfreiheit” und „Verfolgung und Diskriminierung von Christen” im Rahmen einer digitalen Pressekonferenz vor. Von links oben nach rechts unten: Matthias Boehning, Generalsekretär IGFM; Uwe Heimowski, Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz e.V. am Sitz des Bundestages und der Bundesregierung; Dr. Felix Böllmann, Rechtsanwalt und Leiter der Rechtsabteilung bei ADF International in Wien; Martin Lessenthin, Sprecher des Vorstands der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM); Jascha Noltenius, Beauftragter für Außenbeziehungen und Sprecher der Bahá‘í-Gemeinde in Deutschland; Prof. Dr. mult. Thomas Schirrmacher, Herausgeber der Jahrbücher Religionsfreiheit und Christenverfolgung, President of the Council of the International Society for Human Rights (ISHR).

„Religionsfreiheit ist ein hohes Gut, für das Menschen ihr Leben riskieren“

Vorstellung der Jahrbücher „Religionsfreiheit 2021“ sowie „Verfolgung und Diskriminierung von Christen”

Frankfurt am Main, 10. Dezember 2021 – Religionsfreiheit im Fokus: Am 10. Dezember 2021 stellten die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) die Jahrbücher 2021 „Religionsfreiheit” und „Verfolgung und Diskriminierung von Christen” im Rahmen einer digitalen Pressekonferenz vor.

Die Jahrbücher, die seit 2013/2014 jährlich erscheinen, gehören zu den wichtigsten und umfangreichsten deutschsprachigen Publikationen zu diesem Thema. Die aktuelle Ausgabe des Jahrbuchs „Religionsfreiheit 2021“ analysiert unter anderem antisemitische Straftaten in Deutschland, die menschenrechtliche Lage religiöser Minderheiten in China sowie die Blasphemiegesetze in Pakistan. Außerdem werden die unterschiedlichen Reaktionen in der islamischen Welt im Hinblick auf Terroranschläge auf Kirchen und Moscheen thematisiert sowie herausgearbeitet, wie Christen in Krisen zur staatlichen Ordnung stehen sollten.

Themenbeispiele:

Die menschenrechtliche Lage religiöser Minderheiten in China
Satellitenbilder und die Auswertung von Zeugenaussagen legen nahe, dass es aktuell etwa 1.200 Umerziehungslager in Xinjiang gibt. Mehr als 1,5 Millionen muslimische Uiguren, Kasachen und Kirgisen wurden seit April 2017 willkürlich in diese Camps gebracht. Bei einer geschätzten muslimischen Bevölkerung in Xinjiang von rund zwölf Millionen Uiguren, Kasachen und Kirgisen bedeutet dies, dass mehr als zehn Prozent der muslimischen Bewohner der Region Opfer dieser Zwangsmaßnahmen wurden. In Deutschland entspräche dies der gesamten Bevölkerung Niedersachsens. Doch nicht nur Uiguren werden Opfer dieser Zwangsmaßnahmen, auch Angehörige muslimischer Nationalitäten in Xinjiang kommen in die Lager. Es gibt mindestens 48 Gründe, weshalb Muslime in Xinjiang in Umerziehungslager eingewiesen werden: Verdächtig macht sich zum Beispiel, wer einen Bart trägt, fastet, nicht raucht oder keinen Alkohol trinkt. Aktuell wandeln sich viele dieser Camps zu Arbeitslagern, in denen Produkte für den inländischen Markt oder Zentralasien in Zwangsarbeit hergestellt werden.

Antisemitische Straftaten in Deutschland
Während antisemitische Gewalttaten laut offizieller Statistiken fast ausschließlich von Rechtsextremen verübt werden, zeigen Umfragen unter Juden, dass die Angriffe überwiegend von Muslimen ausgehen. Der islamische Täteranteil ist dabei umso höher, je schlimmer der Vorfall ist. Somit gibt die offizielle Statistik die Realität nicht adäquat wieder. Früher verhinderte die Statistik sogar von vornherein, dass muslimischer Antisemitismus überhaupt erfasst wurde. Heute gibt es dafür zumindest eine Kategorie, sie wird aber aufgrund der Erfassungspraxis nicht angewandt. Somit werden antisemitische Taten in Zweifelsfällen stets einer rechtsextremen Motivation zugeschrieben, selbst wenn es dafür gar keine Hinweise gibt.

Blasphemiegesetze in Pakistan
Der Vorwurf der Blasphemie dient Islamisten dazu, Andersdenkende und Minderheiten einzuschüchtern und zu tyrannisieren. Außerdem wird er bei Konflikten als Waffe eingesetzt. Es hat sich gezeigt, dass sich die Beschuldigten nur in seltenen Fällen überhaupt über Religion und insbesondere den Islam geäußert haben. Andersgläubigen wird oft leichtfertig ein Mangel an Respekt vor dem, was Muslimen heilig ist, unterstellt. Unverhältnismäßig viele Angehörige von Minderheiten geraten in Pakistan unter den Verdacht der Gotteslästerung und werden häufig Opfer von Mobgewalt. Die Befürworter der Blasphemiegesetze machen teilweise Jagd auf offensichtlich wehrlose Opfer, denen sie diese Vorwürfe anhängen. Auch die Minderheit der Schiiten in Pakistan, etwa zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung, leidet zunehmend unter derartigen Anschuldigungen. Als bedrängte Minderheit können auch Muslime in Pakistan gezählt werden, die einer Koranauslegung folgen, die von den Denkschulen des Mainstreams abweicht.

Die Verfolgung der Bahá‘í
Durch die Unterdrückung religiöser Minderheiten verletzt die Islamische Republik Iran zahlreiche Menschenrechte, die zu gewährleisten, achten und schützen sie durch die Ratifikation des VN-Zivilpakts und VN-Sozialpakts verpflichtet ist. Die örtlichen Behörden in der Provinz Sari sind zum Beispiel angewiesen, ihre Bemühungen zur Ausrottung der Bahá‘í-Gemeinde zu verschärfen. Sie sollen ihre Bewegungsfreiheit durch Sicherheits- und Geheimdienstorgane kontrollieren sowie Bahá‘í-Schulkinder identifizieren und zum Islam zwangskonvertieren. Neben diesen Verletzungen bürgerlicher und politischer Menschenrechte, bemühen sich die iranischen Behörden, Bahá’í durch wirtschaftliche und soziale Repressalien aus dem Iran zu vertreiben und ihr Kultur- und Gemeindeleben zu zerstören. Bahá’í werden aus dem Bildungssektor ausgeschlossen, die freie Ausübung ihrer Religion wird ihnen ohnehin verwehrt. Wenn sie sich zu Gebetsversammlungen oder Bildungsaktivitäten für ihre Kinder treffen, folgen meist Razzien und Festnahmen.

Sehen Sie hier die Aufzeichnung des Pressegesprächs:

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Informationen zu den Jahrbüchern

Beide Jahrbücher werden von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, dem Internationalen Institut für Religionsfreiheit und den Arbeitskreisen zur Religionsfreiheit der drei deutschsprachigen Allianzen, der Deutschen Evangelischen Allianz, der Schweizerischen Evangelischen Allianz und der Österreichischen Evangelischen Allianz herausgegeben. Prof. Dr. mult. Thomas Schirrmacher ist federführender Herausgeber der Jahrbücher. Beide Bücher sind gemeinsam als Wendebuch mit insgesamt 860 Seiten zum Preis von 12 Euro über den örtlichen Buchhandel erhältlich, stehen aber auch zum Download als pdf zur Verfügung.

Zitate:

Prof.-Dr.-mult.-Thomas-Schirrmacher

Prof. Dr. mult. Thomas Schirrmacher, Herausgeber der Jahrbücher Religionsfreiheit und Christenverfolgung, President of the Council of the International Society for Human Rights (ISHR):

„Deutschland hat keine Probleme mit Migration und Integration an sich. Und Integration kann auch in Deutschland gelingen und gelingt seit Jahrzehnten, zumeist ganz unauffällig. Wer sich integrieren will, kann das in Deutschland auch. Wer die Integration aus welchen Gründen auch immer ablehnt, ist meist von religiösem Fundamentalismus, manchmal gemischt mit nationalistischem Fundamentalismus, beflügelt. Die Integration scheitert in Deutschland vor allem bei Menschen, die eine religiös überhöhte politische Ideologie mitbringen, und weil ihnen die Medien und die Politik nur in Ausnahmefällen offensiv und für die Werte von Menschenrechten und Demokratie werbend entgegentreten wollen.“

„Weltweit werden bis zu 300 Millionen Christen verfolgt. Dazu kommen Bahai, Uiguren, Ahmadis und viele andere diskriminierte Gruppen. Daher ist das Amt des Beauftragten für internationale Religionsfreiheit überaus wichtig – die Stimme für Verfolgte muss gehört werden.“

Uwe Heimowski

Uwe Heimowski, Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz e.V. am Sitz des Bundestages und der Bundesregierung:

Martin Lessenthin

Martin Lessenthin, Sprecher des Vorstands der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Deutsche Sektion e.V.:

„Religionsfreiheit ist ein hohes Gut, das in weiten Teilen der Welt täglich in Gefahr ist und für das Menschen ihr Leben riskieren. Daher ist es für die IGFM wichtig, diese beiden Publikationen zu unterstützen, in denen Experten jedes Jahr ihr fundiertes Länder- und Menschenrechtswissen darlegen. Information und Hinweise zur gefährdeten Lage der Religionsfreiheit in bestimmten Ländern ist unabdingbar für deren Schutz.“

„Unterstützt werden die Bahá’í im Iran nicht nur von mutigen Menschenrechtsverteidiger/-innen wie der Trägerin des Menschenrechtspreises des Deutschen Richterbundes, Nasrin Sotudeh, sondern auch auf kreative Weise von der internationalen Zivilgesellschaft. Durch den erheblich eingeschränkten Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft, trägt die internationale Politik eine besonders hohe Verantwortung, um die Islamische Republik Iran zur Einhaltung ihrer menschenrechtlichen Pflichten anzuhalten und die Auswirkungen der Menschenrechtsverletzungen wann immer möglich einzudämmen. Dabei können deutsche Behörden einen wichtigen Beitrag zum Menschenrechtsschutz religiöser Minderheiten leisten.“

Jascha Noltenius, Beauftragter für Außenbeziehungen und Sprecher der Bahá‘í-Gemeinde in Deutschland K.d.ö.R.:

Dr. Felix Böllmann, Rechtsanwalt und Leiter der Rechtsabteilung bei ADF International in Wien:

„Die beiden Publikationen leisten umfassende Dokumentation und systematische Einordnung zur Verfolgung aus Glaubensgründen weltweit. Beides tut Not beim Einsatz für die Religionsfreiheit. Denn solche Verfolgung geschieht oft abseits der Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft. Dabei gibt es beispielsweise Hunderte von Christen, denen aufgrund einer Blasphemie-Anklage eines von mehreren schrecklichen Schicksalen erwartet: Eine lebenslange Haftstrafe, wenn nicht gar ein Todesurteil; gezwungen werden zur Flucht trotz Freispruch, oder der Tod durch gewalttätige Gruppen. Die Jahrbücher leisten wertvolle Hilfe dabei, die Grundrechte auf der Bühne der Weltpolitik konsequent einzufordern, ohne dabei Einzelschicksale aus dem Blick zu verlieren.“

Thomas Schirrmacher, Martin Warnecke und Uwe Heimowski (Hg.). Jahrbuch Verfolgung und Diskriminierung von Christen 2021. Studien zur Religionsfreiheit Bd. 37. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 2021. ISBN 978-3-86269-226-2. Pb. 282 S. (Wendebuch: 860 S.)

Hinweis für die Redaktionen:

Die Jahrbücher Religionsfreiheit 2015 bis 2021 stehen online zum Download bereit.

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